Ozapft

Nein nicht … „Ozapft is“.  

Ich war nicht auf der Wiesn. 

Habe den Busen nicht in einem Rüschendekoltee hochgestuhlt bzw. die Schurz adäquat gebunden… da musst de nämlich aufpassen, gell. Masche links… rechts … oder mittig… und schon bist Datingpartner, Vergeben oder Freiwild. Die Schürzenjäger sind unterwegs.

Aber urig muss es in der Weisswurstmetropole schon sein.

Der Concierge lächelt milde: „Hofbräuhaus… wollen Sie sich das wirklich antun? Einheimische sieht man hier nur noch morgens an den Stammtischen. Sonst ist da multikulti HalliGalli“.

Trotzdem… ich muss es haben. 

Kaum im Türbogen, brandet mir hochtoniges Gejohle entgegen. Es legt mir die Ohren an. Die Bude ist gut gefüllt, aber ein Platz nicht chancenlos. Zwei junge Herren rutschen zur Seite. Dem „Beine zusammenklappen und in die Mitte klettern“ steht nichts mehr im Wege. Auf dem Holztisch (mit reichlich Patina) liegt eine knittrig zerflederte Karte mit einigen Gerichten. Da muss es doch noch mehr geben? Aha, im Internet gibt es das volle Angebot. Die Kellnerin (wohl Studentin) wuselt umher. Rufen nützt nix. Also winken. Ein Grinsen: „I‘m coming… I‘m coming“.  Das Coming findet aber nicht statt. Dabei möcht ich doch nur mal einen Gerstensaft. Ich dürste…kein Erfolg. 

Derweil schieben männliche Kellnerkollegen, mit maghrebinisch anmutenden schwarzen Zapfenlocken, 5 Mass gleichzeitig in Windeseile an mir vorbei, um eine Japanische Gruppe zu beglücken. Kampei! Kampei! 

Der Magen knurrt.

Meine Rettung ist die Brezenmarie. Eine adrette Brünette mit süssrosa kariertem Dirndl, die unentwegt zwischen den Bänken ihr Gebäck feilbietet. Wer hats erfunden? Ein Bäcker fiel 1476 beim König in Ungnade. Nur wenn er einen Kuchen erfinde, an dem die Sonne dreimal täglich durchscheinen könne, sei er vom Henker befreit. Ein Bravo dem kreativen Pfister. Soweit die Sage. Für 5.60 kann ich immerhin mein Salzreservoir wieder auffüllen, nur der Durst wird jetzt noch doller. 

Der nächste Hoffnungsschimmer eröffnet sich mir nach rund 30 Minuten. „I‘m coming“ nähert sich den Tischnachbarn. Ochsenbraten in Rotwein schwimmend. Jetzt forsch reingrätschen. „Zwei Bier  bitte!“ „I’m coming“, lächelt strahlend… yes yes … „I‘m coming“ dreht sich um und ist….  weg. 

Die Blaskapelle gibt derweil ein Ständchen. Die Tuba schmettert ihren Bass in die bunten Deckenfresken. Etwas jalouse schiele ich hinüber zur Koreanerin am Nachbartisch. Sie posiert für Ihren Freund in Endlosschlaufe mit einem schaumbekrönten Glas, wobei das moussierende Topp gnadenlos in sich zusammenfällt.

Da geschieht das Wunder. „I‘ m coming“ steht hinter mir: 

„What would you like?“ „

Ein kleines  Bier und ein Backhändl!“

„Ok … Chicken and Babybeer“.

Kaum gesagt, ist „I‘m comings“ fuchsiarote Schürze im Getümmel verschwunden. In mir hallt noch nach „Babybeer“.

Klar, das wird jetzt nochmals dauern. Ich vertreibe mir die Zeit mit Peoplewatching. Ein fast exotisch anmutender Einheimischer hat Platz genommen. Sein Bier kommt gleitig. Ein Stammgast? Sein vis à vis sind Ostblöckler. Für ihn interessieren sie sich nicht. Er kann wohl kein Englisch und sie kein Deutsch. Der Bayer wirkt einsam in all dem Trubel aber in seinen Mundwinkeln treibt sich ein kleines Lächeln herum. Ein stiller Geniesser. Auch er beobachtet wie die Schwadronie der Servierer auf opulent gefüllten Tablets XXL Haxen durch die Lüfte balancieren  und stramme Waderl die Gänge abdefilieren.  


Die Kappelle will in den Feierabend  und scheppert einen letzten Tusch und genau jetzt lässt „I‘m coming“ die Bestellung einfliegen. Endlich der verdiente Schluck, schaumige Lippen. 

Er lässt vergessen, dass das Monster-Chicken eine limitierte kulinarische Erfahrung bietet und vom passablen Kartoffelsalat noch rechts überholt wird. 

„I’m coming“ bringt schliesslich die Rechnung …ähh the bill. „How was it?“ Ihr Smalltalk. Der Schallpegel verhindert ein detailliertes Feedback. Immerhin kann ich durchgeben, dass ich Deutsch spreche. „Oh sorry, habe ich Englisch gesprochen? Hab ich gar nicht gemerkt!“


So hat sich die Prophezeiung meines Concierges bewahrheitet. Das Hofbräuhaus ist ein riesen Tobuwahou. Aber es ist ein Erlebnis.

Wirklich gemütlich sind andere Bierhäuser. Besonders angetan hat es mir das Augustiner Stammhaus. Charmante Kellner, herrliches Interieur, sorgfältige Küche und viel viel Herz. 

In solchen Lokalen wohnt immer noch die bayrische Seele… und die ist gross.

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Kommentare: 2
  • #1

    Maria (Samstag, 11 Oktober 2025 09:07)

    �������, sehr gut hast du das beschrieben, aber es ist wirklich schlimm darin!!

  • #2

    Noeli (Sonntag, 12 Oktober 2025 09:15)

    Was für ein geschäftiger Ort! Die Leute zu beobachten war das eigentliche Vergnügen.