Licht und Schatten

Beda lässt seinen Arm locker über die Kante des Geländers hängen. Die Tatsache, dass er dermassen missratene Tatoos so offen zur Schau trägt, spricht für sein Selbstvertrauen… und das braucht es hier auch. 

Dabei fing noch alles ganz harmlos an … auf der Reeperbahn. Beda lerne ich erst später kennen. 

Neben dem genialen Riverside Hotel mit Wouw-Hafenblick 

entdecke ich die stadtbekannte Kneipe „zur scharfen Ecke“

mit der urigen retro-maritimen Einrichtung. 

Die Wirtin muss noch ihre blonde Perücke zurechtrücken. „12.00 Uhr essen? Nööö“. Also verschlägt es mich ein paar Schritte entfernt ins Copperhaus, wo ein asiatisch angehauchtes Buffet für einen Gute-Laune-Auftakt meiner Reise sorgt.

Das Buffet lässt keine Wünsche offen.

Ein Elbespaziergang für mich, Binnenländerin, , muss auch noch sein. Stundenlang könnte ich den Kähnen zuschauen, wie sie von den agilen Lotsenbooten navigiert werden.

Nun aber rein ins Vergnügen. Das Taxi bringt mich zum etwas versteckt liegenden Lokal „Krug“. Hier übernachteten die Beetles und hier begann ihr legendärer Erfolg. Der Efeu hat das Häuschen zwischenzeitlich fast aufgefressen. Meine Hamburger Freunde sitzen bereits im Restaurant und ich kann sie quasi durch das offene Fenster begrüssen. Das Abendessen ist wie immer herzlich unterhaltsam, wenn wir uns wieder einmal zwischen Hamburg und der Welt treffen und es könnte endlos werden…. aber heute habe ich noch ein erweitertes Abendprogramm, an dem die einheimischen Freunde nicht teilnehmen möchten… und danach weiss ich auch weshalb!

Ich habe eine Olivia Jones Tour durch den Kiez gebucht. Es wird „höchstes Niveau unter der Gürtellinie“ versprochen. Jeder Führer sei anders und setze selber seine Schwerpunkte. Wer wird mich erwarten? Eine Drag? Ein ehemaliger Zuhälter?  Ein Sadomaso Keller? Ich wähne mich schon neugierig aufgeregt im Latexrevier begleitet von fleischlichen Ansichten…. schräge Kostüme inbegriffen. Aber es kommt wie oft beim Reisen etwas anders. 

Beda, der Führer der Gruppe, nimmt uns an der Schmuckstrasse in Empfang und outet sich als Neuzugang der Jones Führer-Familie. Geschichtsabschluss mit jahrelanger Barkeepererfahrung. Ein Reeperinsider und Bewohner des Quartiers.

„Na, dann mal los, meine Süssen!“ „Schnauze da hinten, keine faulen Sprüche….

und nein, Du wirst keine Penispumpe brauchen!“, poltert er zu einem biertechnisch schon gut aufgeheiterten Mann…. ähhh und zu den Mädels hier… falls ihr von hinten angegrabscht werdet, sofort bei Tessa melden. Sie wird heute unsere Aufpasserin sein. Alle Blicke wenden sich zu einer taffen Lady mit pinkem Haarschopf. „Kann sein, dass sie den schwarzen Gürtel hat“, denke ich mir. 

Die Gruppe der Süssen setzt sich nun brav in Bewegung aber nicht in Erregung. Beda pflegt hohes empatisches Level. Er erzählt, von den Einwohnern des Kiez und wie sich durch den Wahnsinnstourismus und mafiöse Strukturen das Leben hier grundsätzlich verändert hat. Jawoll, es gebe noch diesen inneren Zusammenhalt einiger Alteingesessener. Solche, die noch zueinander und zu den Sexarbeiterinnen schauen. Solche, die noch alte Etablissements von alten Damen übernähmen und die Einrichtung der Läden unverändert liessen und das Bier zu alten Preisen von 3 Euro ausgäben und nicht zu 8 oder 9. 

Der Moloch der Gier und Ausbeutung habe die Reeperbahn nun im Griff… und  Drogen. 

Tessa muss gerade einschreiten, als ein Crack-Zombie unsere Gruppe crashen will. 

Vor der Davidswache, dem kleinsten  Polizeirevier Deutschlands (flächenmässig knapp ein Quadratkilometer) bietet sich gerade praktisch und theoretisch das Thema Sicherheit an. 25 Mio Besucher pro Jahr trinken 750 Mio Liter Bier… plus anderes. Am Hafenfest schoben sich 1.3 Mio Festfreudige durch die Lustmeilen. Die 800 Beamten waren machtlos; das Gebiet wurde abgeriegelt. Kein Raus, kein Rein. 

Womit man ja dann gleich beim Thema wäre. Nein, meint Beda, bei den Ladies schauen wir nicht vorbei. 

Wir wollen nicht, dass sie fotografiert werden. Sie verdienen einen letzten Rest Würde. Bei ihnen kommen nur noch diejenigen vorbei, die keiner mehr will. Alle andern bestellen sich Dienste in ein Hotelzimmer. Das hat mehr Niveau und Diskretion. Kurzum, die Reeperbahn ist passé. „Ja, meint, Beda, die Stadt hat uns aufgegeben“, und wir waten hinter ihm durch unglaublich viel Abfall, der am Boden zerstreut liegt. Vor der Olivia Jones Bar entlässt uns Beda ziemlich nachdenklich in die Nacht. Irgendwie scheint die Ohnmacht das Zepter übernommen zu haben.

Der kleine Glücksmoment mit einer Drag kommt mir aber noch ganz gelegen. Gerne wäre ich auch noch in diese Szene eingetaucht.

Am andern Morgen besuche ich das ganz andere Hamburg. Das aufgeräumte, ambitionierte, durchgestylte. Hier - im seit 9. April 25 brandneu eröffneten - „Westfield“ Quartier glänzt die Zukunft. Ein schickes Einkaufscenter in der Hafencity hat unlängst seine Pforten geöffnet. Ein Architekturschmaus, der unweit der Elfi 

nicht zu missen ist. 

Als Publikumsmagnet mittendrin der „Port des Lumières“. Kaum ins Dunkel des Raumes abgetaucht, lasse ich mich verzaubern, von den gigantischen Lichtprojektionen. 

Klimt und Hundertwasser entführen mich mit der immersiven Show in andere Spären. Im Farbenrausch….

im Musikapektakel vergesse ich das Draussen. Zauberwelten berieseln meine Sinne… ein Hort des Lichts und seiner Kraft

So erfrischt, trete ich auf den Vorplatz. An der Pier wartet mein Traumschiff EUROPA 2. 


Seid herzlich willkommen auf diesem Abenteuer mit dem Kreuzfahrtschiff Nummer 1. 


In welche Welten wird es mich tragen?

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Kommentare: 7
  • #1

    Pierre R. (Donnerstag, 10 Juli 2025 17:05)

    Danke für den spannenden Bericht über Drag und Latex�

  • #2

    Jan (Freitag, 11 Juli 2025 07:53)

    Wunderbar, geniess es. Danke für den Bericht Francesca

  • #3

    Cornelia (Freitag, 11 Juli 2025 10:08)

    Ja, so war es !! Schön, herzlich … und … auf ein Neues! Danke für gute Beobachtung und
    Beschreibung der Stadt.
    Habt weiterhin eine schöne Reise.

  • #4

    Lema B. (Freitag, 11 Juli 2025 11:40)

    Herzlichen Dank, liebe Franziska! Wie immer, eine riesen Freude deine Berichte zu lesen. Spritzig, spannend und man fühlt sich mittendrin....
    Freue mich jetzt schon auf die Fortsetzung!
    Lg

  • #5

    DON PEDRO (Freitag, 11 Juli 2025 11:51)

    Freue Dich auf Bilbao - wir waren im Mai dort und sind auf Deine Impressionen schon heute gespannt. Gruss auch von DONNA MARTA

  • #6

    Noeli (Freitag, 11 Juli 2025 22:26)

    Wie interessant, die Schattenseiten einer Stadt zu erkunden, die so viele Narben trägt. Ich wünsche mir, dass ihre Straßen eines Tages Frieden und Hoffnung erfahren.

    Gute Reise! Ich hoffe, dass Sie auf Ihrem Abenteuer auf dem Meer noch mehr spannende und überraschende Entdeckungen machen werden �

  • #7

    Albert Müller (Freitag, 11 Juli 2025 23:15)

    Wiederum herrliche Bilder von einem Freistaat wie Gersau - von dort grüsst dankend der Gersauer -