Verbotene Liebe

Das fins de l’histoire hatte sich Hadwig, die gestrenge Regentin zu Burg Hohentwiel, definitiv anders vorgestellt. Weitherum sichtbar ist Deutschlands grösste Burgruine (9 ha), die auf dem höchsten der sieben erloschenen Vulkane des Hegau thront. 

Auf dem Berg über der Stadt Singen war Hadwig im zarten Alter von 15 Jahren mit Herzog Burkhard verehelicht worden und zog im Jahr 954 in die Gemäuer der Trutzburg ein. Da die Festung kontinuierlich ausgebaut wurde, wurde von allen Besuchern erwartet, dass sie Steine hochbrachten. 

Als Lohn winkte ein Willkommenstrunk, den sich Burgfräulein Francesca selbstredlich nach der Besteigung (samt Stein) ohne schlechtes Gewissen selbst zuspricht. 

Doch zurück zu Hadwig. Im Alter von 34 Jahren wird sie kinderlos Witwe. Die Schmerzgrenze in Bezug auf den Verlust des Gatten scheint äusserst niederschwellig verlaufen zu sein und auch vom Brauch, sich als Witwe in ein Kloster zurückzuziehen, verabschiedete sie sich mit einem entschiedenen „je m‘en fous“. Ganz im Gegenteil. Kloster ja…. aber nur um sich dort etwas „umzusehen“! Sie hatte vom attraktiven Mönch Ekkehard gehört. Nun, weshalb nicht dem ihr unterstellten Kloster St. Gallen einen Visitationsbesuch abstatten? Gedacht… getan. Schon vor den Toren der Abtei der Gallusstadt wurde sie von Ekkehard erwartet. Da Hadwig, obwohl Schutzherrin des Klosters, als Frau die Schwelle des Klosters nicht überschreiten durfte, ordnete der Abt an, Ekkehard habe den hohen weiblichen Besuch über die Schwelle zu „tragen“. Da muss es wohl geschehen sein. Hadwig verliebte sich unsterblich in den Adonis der Kuttenträger. Mit Charme und Verhandlungsgeschick gelang es ihr, den Abt zu überzeugen, dass Ekkehard auf dem Hohentwiel als Lateinlehrer unverzichtbar sei und so zog Hardwig mit ihrem „Fang“ wohlgemut zurück in den Hegau. 

Und dann? Darf ich vermuten, dass es nicht beim exercitium latinum blieb? Se non e vero e ben trovato (wenn es nicht wahr ist, so ist es gut erfunden) sagte sich wohl der Schriftsteller Joseph Victor von Scheffels, der um 1855 aus den beiden Akteuren kurzerhand ein Liebespaar schmiedete. Der Knüllerroman des 19. Jahrhunderts war geboren.  An den 90 Auflagen von „Ekkehard“ kam 1989 auch das deutsche Fernsehen nicht vorbei, das einen 6-teiligen Liebesepos produzierte. 

Was geschah auf dem Hohentwiel? Schauten Hadwig und Ekkehard zusammen aus einem versteckten Winkel ins weite Land? Leuchtete der Untersee in tiefem Blau, Segel blähten sich im Wind ? Stand er hinter ihr? Spürte sie seinen Atem im Nacken? Wühlte der auffrischende Wind ihr Haar? Streifte eine Locke seine Lippen? Zog er am samtenen Band ihres Bustiers? Drehte sie sich um und entknotete mit aufreizendem Blick die Kordel seiner Sultane? 

Die Gedanken bleiben frei. Der Autor befeuerte Hadwigs Sehnsucht. Sie wollte, so seine Erzählung, Ekkehard ganz für sich und sie überreichte ihm deshalb zu gegebenem Zeitpunkt das Schwert ihres verstorbenen Mannes. Die damals unmissverständliche Aufforderung in die Ehe einzuwilligen. Ekkehard als Mönch konnte, wollte, sollte jedoch nicht zustimmen. Das klassische Dilemma. Damit nahm sein Schicksal eine drastische Wende. Die verschmähte Herzogin warf ihn tiefbeleidigt in den Kerker. Mit Hilfe einer Dienerin gelang ihm jedoch knapp die Flucht und er zog sich ins Wildkirchli im Appenzell zurück. 

Es muss offen bleiben, ob Hadwig und Ekkehard etwas zu beichten gehabt hätten, und wenn ja, hätte ich die Kirche zu Höri empfohlen. Da, wo ein Herzog die Inschrift hinterliess: 

„Wenn ich nicht Grossherzog von Baden wäre, wollte ich Pfarrer von Horn sein.“

Ich tauche ab in das Edelstahlbecken

des Wellnesshotels Hirschen Höri

hinter dem Gotteshaus. 

Herrliche Aussicht auf die Seenlandschaft, lauschiger Garten, 

gediegene Architektur 

und ein Gourmetmenü;

jede Sünde wert!

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Kommentare: 9
  • #1

    Roland H. (Montag, 20 Mai 2024 07:46)

    wow, eine wiederum spannende reisegeschichte! viel spass weiterhin und prosit! glg

  • #2

    Rena de la casa (Montag, 20 Mai 2024 08:16)

    Francesca, das Holde Burgfräulein: Deiner blühenden Phantasie ist fast keine Grenze gesetzt.
    Warum nicht mal ein Drehbuch schreiben und dies in standesgemässen Gemäuer? In Klausur oder so ähnlich…
    Grazie, Francesca.

  • #3

    Albert Müller (Montag, 20 Mai 2024 12:02)

    Herrliche Geschichte; bis anhin wusste ich wenig davon, ausser Adonis, der Kuttenträger...weiter so, der Gersauer freut sich an Hadwig.

  • #4

    Petra Becker (Montag, 20 Mai 2024 13:49)

    Danke fürs Teilen Deiner wunderschönen Reise!
    Herzlichst, Petra

  • #5

    Ochsner Erwin (Montag, 20 Mai 2024 18:28)

    Liebe Francesca, vielen Dank dein Reisebericht ist angekommen. Wir sind gespannt was noch folgt.

  • #6

    Anita Gamma (Mittwoch, 22 Mai 2024 09:32)

    Beginnt genau und richtig im Mittelalter und ist in der Neuzeit auch richtig noch da!

  • #7

    Barbara Stiemerling (Mittwoch, 22 Mai 2024 16:38)

    Diese grosse Burg in Singen am Bodensee habe ich als "Deutsche" bisher nicht gekannt. Wie gut, dass es Francesca gibt, die uns auf so aussergewöhnliche Reisetouren "virtuell" mitnimmt und dazu noch so spannend und witzig erzählt. Gerne besichtige ich die Burg Hohentwiel bei meiner nächsten Reise zur Familie in Baden Württemberg.

  • #8

    Antje Stiemerling (Mittwoch, 22 Mai 2024 18:00)

    … sehr schöner Bericht… tief eintauchen in die Vergangenheit… gerne schließe ich mich einem Ausflug dort an!

  • #9

    Annalies (Mittwoch, 22 Mai 2024 23:49)

    Wirklich eine spannende Geschichte, erwarte die Fortsetzung und wünsche mir sehr diesen Ort zu besuchen. Weiterhin schöne Zeit,sonnige Tage und herzlichen Dank. Liebe Grüsse.
    I