Apukka


Die Reise geht nicht nach „Timbuktu“. Aber irgendwie tönt „Apukka“ nach Kindermärchen…. nach weit weg… sehr weit weg und nach anderer Welt.

Ich sitze im Zug von Helsinki nach Rovaniemi. Der Streik der Finnair beschert mir dieses 827 Km lange Gleiserlebnis durch die finnischen Wälder… und ich möchte es nicht missen. 

Silbern ummantelt der Raureif die zarten Zweige der Birken. 

Wie ein Meer von schwarzen Kerzenspitzen recken sich die schmalen Tannen in den fahlen Horizont. 

Schüchtern erobert die Wintersonne den neuen Tag. So geht es Stunde um Stunde. Mein Blick verliert sich in weissen Weiten. Bei Anbruch der Dunkelheit hat es der IC 24 nach 8 Stunden geschafft. Einfahrt in Rovaniemi. Willkommen am Polarkreis. 

Der Taxifahrer, ein ehemaliger Kampfjetpilot, schwärmt schon in höchsten Tönen von Apukka. „Best place!!“ Er hat nicht zuviel versprochen. 

Der Ort mit gleichnamigem Resort liegt malerisch am einem riesigen See. 

Benjamin, der das Gepäck zur Cabin bringt, erzählt vom Sonnenaufgang. „Ihr glaubt nicht… man ist so dankbar, wenn nach der dunklen Zeit das Morgenrot über der gefrorenen Seenplatte aufscheint. 

Der Feuerball sich erhebt!“ 

Ich denke an seine Worte.. jetzt stehe ich bei minus 20 Grad selber auf der überzuckerten Eisplatte. Der Wind zeichnet seine Spuren in den pulvrigen Schnee. Weites Land. Weite Spaziergänge zur nächsten Insel und durch die verschneiten Wälder locken.

Auf dem zentralen Hauptplatz der Anlage macht sich derweil Umtriebigkeit breit. Gut 50 Personen alle in blau-schwarze Anzüge gewandet,  laufen über die Plaza, finden sich zu Grüppchen zusammen. Apukka ist DER Ort für naturerlebnisorientierte Lapplandbeginners. 

Was auch immer gebucht wird, das zentrale Requisit ist der Overall. Im grossen Changingroom neben der Rezeption ist was los. Egal ob Spaghettifigur oder Schwimmgurt-Ranzen. Praktisch jeder wird samt eigener Ski- und Daunenbekleidung in ein solches Teil gezwängt. 

Komplettiert mit derben Stiefeln, Sturmhauben, fetten Socken und Fäustlingen wanken nach dem Tenuefetz alle wie Pirellimännchen zu ihren Treffpunkten. 

Die Wagemutigsten entscheiden sich für die Snowmobiletour.

Hui… die Karawane fegt über einen gefrorenen Fluss. Der Schnee stiebt Puderzucker. Freiheit. 

Aus der Ferne tönt Hundegeheul. Genau… da will ich hin. Mikka ist Besitzerin von 28 Huskies und wird meine Gruppe zu den bereits jaulenden Hunden führen. 

Im Wäldchen ist die Vorfreude spürbar. Die Vierbeiner sind mächtig aufgeregt. Heulen… winseln… Schwanzwedeln…Sie sind schon angeschirrt und möchten nur eines… loslegen. 

Wir Overallträger:innen müssen jedoch noch instruiert werden. Bei Halt immer beide Füsse auf der Bremse (eine Eisenstange zwischen den Kufen). Sonst ist kein Halten. Verschiebt man die Füsse weg von der Stange, geht die Post ab. Die Aufregung steigt. Und allez!! 

Unsere 5 Huskies legen los. Sie kennen die Route. Heja, ist das ein Spass. Den Vierbeinern macht es Freude. Manchmal zwicken sie einander im vollen Garacho, um klar zu stellen, wer der Chef am Zugseil ist. 

Es ist bitter kalt. Meine Finger klamm in den Handschuhen… die Nase eingefroren. 

Die Reise ist nicht allzu lang. Bald sind wir nach 30 min wieder am Startpunkt und jetzt ist Knuddeltime. Der freundliche Charakter erlaubt Streicheleinheiten und Mensch und Hund können nicht genug kriegen. 

Jööö-Alarm bei allen Gespannen. Jeder hat seine Lieblinge. 

Ohhh… wie treuherzig sie schauen… die Ohren spitzen…Küsschen verteilen… 

und die Samojedenspitze lassen sich genüsslich ihren fluffigen Pelz kraulen.

Am nächsten Abend wartet Anne Sophie auf Besucher. Ihre Schützlinge sind die Rentiere. 

Mit ihnen soll eine Fahrt durch den Wald stattfinden. Im Schlitten liegt eine Wolldecke bereit. Diese gibt wenigstens psychologisch das Gefühl, es könnte etwas Wärme ergattert werden. Könnte! Anne Sophie führt das Leittier. Die Schlitten sind zusammengebunden. 

Gemütlich gleiten wir durch das Schwarz. Der Mond ist fast leer. Der Wind hat den Schnee von den Tannen geblasen. Bei Halbzeit entfalte ich meine klappernden Glieder aus dem Schlitten und suche die wärmende Kota.

Das ist ein Zelt oder eine runde Hütte mit einem Feuer im Zentrum. Hier wird in eisernen Kannen Blaubeersaft erwärmt… Würste gebraten und Mashmellows an Spiessen in die Flammen gehalten

Anne Sophie erzählt von den Rentieren. 230‘000  an der Zahl in Finnland. Die Tiere leben in riesigen abgezäunten Arealen/Wäldern. Jedes Jahr werden alle zusammengetrieben und gezählt. Jedes Tier hat einen Besitzer, den erkennt man am Schnitt im Ohr des Tiers. Er entscheidet jährlich, wie es mit dem Rentier weitergeht. Zurück in die Wildnis…Metzger… Ausbildung… Verkauf. Jedes Ren hat ein individuelles Geweih. Die Grösse hat nichts mit dem Alter zu tun. Wirft ein Männchen das Geweih ab. wächst ein identisches Geweihpaar nach.

Weiter geht es im kontemplativen Trott. Gedanken nachhängen. Im Ohr nur das knisternde Geräusch der schleifenden Kufen auf den Eiskristallen. 

Am Ziel dürfen unsere braven Zug-Rens wieder ins Gatter und ich ins Bett. Es erwartet mich eine wundervolle Glasiglouhütte. Das Dach im 2. Stock ist aus heizbaren Scheiben. Wenn ich im Bett liege, sehe ich den Himmel.

Werde ich sie sehen? 

Werde ich sie sehen?


„Bitte, mach das Märchen wahr: APUKKA!“

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Kommentare: 11
  • #1

    Sigrid (Mittwoch, 07 Februar 2024 16:36)

    Vielen Dank für die wunderbaren Reiseimpressionen. Es ist wie ein Wintermärchen zu einer Jahreszeit, in der man früher in der Schweiz auch diese Schönheiten des Winters hatte. Ich wünsche der Eisprinzessin eine wunderbare Zeit im Land der weissen Pracht und weiterhin viele schöne Erlebnisse.

  • #2

    Susanne H (Mittwoch, 07 Februar 2024 16:51)

    Einfach nur mega. Bin gespannt wies weiter geht. Danke Franziska. Heb der warm�. Susanne

  • #3

    Cornelia (Mittwoch, 07 Februar 2024 17:05)

    Wer friert …. gewinnt.
    Danke für‘s teilen �

  • #4

    Maria (Donnerstag, 08 Februar 2024 12:58)

    Einfach traumhaft, Erinnerungen von vor 20 Jahren werden wach. Freue mich auf die Fortsetzung!

  • #5

    Annalies (Donnerstag, 08 Februar 2024 13:17)

    Bei so viel Einsatzbereitschaft, werden die Polarlicher sich sicher zeigen.
    Viel Glück wünsche ich den Abenteuern.
    Herzlichen Dank und alles Gute. Liebe Grüsse Annalies.

  • #6

    Albert Müller (Donnerstag, 08 Februar 2024 17:44)

    Wie immer - herrliche Aufnahmen, auch winters; da möchte ich Huskie sein. Geniesse die Natur vom Polarkreis bis zum Zugerkreis!

  • #7

    Georges (Freitag, 09 Februar 2024 08:52)

    Eine eigene, spezielle und abenteuerliche Welt!

  • #8

    Oswald (Freitag, 09 Februar 2024 11:02)

    Die tolle Beschreibung animiert dazu, die Reise, einschliesslich der Eisenbahnstrecke, selbst zu erleben. Perfekter Erlebnisbericht. Besten Dank.

  • #9

    Elisabeth Huber (Freitag, 09 Februar 2024 15:51)

    Grossartig die eindrücklichen Stimmungsbilder vom eiskalten Norden und Deine interessanten, faszinierenden Schilderungen. Dank ihnen fühle ich mich als Deine «Schatten»-Begleiterin auf dieser grossartigen Expedition. Weiterhin viele wunderschöne Eindrücke wünsche ich Dir von Herzen Elisabeth Huber

  • #10

    Rena de la casa (Freitag, 09 Februar 2024 19:03)

    Der Weg zum Ziel Klirrende Kälte
    Notwendige Overalls
    Traumhafte Bilder
    Miterleben
    Dank deiner witzigen
    Reportage!

  • #11

    Romina (Freitag, 16 Februar 2024 17:41)

    So ein schönes Erlebnis es hat sich gelohnt einwenig zu frieren toll echt toll