Vers le sud I

Was der Schriftsteller Lord Byron mit der Rhone zu tun hat, erschliesst sich mir bis heute nicht, doch die in Baar domizilierte Reederei „Scylla“ pflegt offenbar ein Faible für Literaten. So betrete ich voller Neugier ein Quasi-Stück Zuger Boden. Dieses Bateau, wird mich auf einer siebentägigen Reise auf der Rhone gen Süden entführen.

Da bereits individuell zwei Tage früher in Lyon angereist, kann ich aus dem Salon mit den blauen Plüschsesseln das Checkin der Passagiere relaxed beobachten. Über dem Glasrand des ersten Prosecco’s tue ich, was alle tun, deren Gepäck schon auf die Kabine spediert wurde: Mustern. Aha… das sind sie jetzt also. Die Mitteisenden. Der erste Eindruck besteht aus praktischem Kurzhaarschnitt und stark ausgelichteten Kopfformen, gefolgt von der Silberlockenfraktion. Da will ich mich auch gar nicht exkludieren, doch Dank der zuverlässigen Blondtönung meiner Coiffeuse, fühle ich mich immerhin für eine Zehntelsekunde knusperjung.

Nach der umtriebigen Einschiffung kehrt langsam Ruhe ein und Reisemanagerin „Yolanda“ übernimmt das Zepter bzw. das Mikrophon. Mit fröhlich und gut artikulierter Sprache, platziert sie ihr erstes „Meine lieben Gästé“, wobei letzteres Wort zu ihrem Markenzeichen werden wird, versieht sie doch das Endungs E mit einem tonal höher gelegenen accent aigu (é). Für mich das Codewort, um die Ohren zu spitzen. Es gibt wichtige Infos. 

Wir tuckern gemütlich auf der Saône Richtung Macon. Die Sonne gibt hinter schwarzen Büschen ihr Farewell. Das Wasser spiegelglatt.

Das erste Abendessen am

Alleinreisertisch bestätgt meine Befürchtungen. Das ist keine Fastentour. Mais c’est si bon.

Am nächsten Morgen heisst es früh aus den Federn. Der Ausflug beschert mir eine liebliche Landschaft. Grüngelb leuchten die Weinterrassen. „Ma Francesca, doch nicht schon jetzt an edle Tropfen denken!“ 

Zuerst werde ich züchtig auf den Spuren der Mönche von Cluny wandeln. 

Die Anlage war immens, wie das Modell veranschaulicht. Die letzte Kirche war vor dem Bau des Petersdomes das grösste Gotteshaus des Christentums (nur 3 m kürzer). Leider im 18. Jh. an einen Steinhändler verkauft, der den epochalen Bau effizient zerstörte. 

Die Abtei stand für strenge Auslegung der Benediktinerregeln. Sie galt als unglaublich mächtig und reich. Ich gelange an die Aussenseite der Ruinen. Die verbliebenen Türme strecken sich selbstbewusst in den fahlen Himmel. Ohne grosse Erwartung knipse ich ein Bild. Was darauf zu sehen ist, diese mondartige Stimmung. Ein seltsames Foto. So sah ich es nicht; da war keine Kreisscheibe. Ich nehme es als gute Botschaft von oben. 

Nun steht willkommenerweise die Weindegustation auf dem Plan.

Auf nach Château Petitclos. 

Hier im Keller kühlt der Puilly Fuissé angenehm meine Kehle. 

Wie gerne hätte ich als Burgfräulein noch etwas länger im Garten unter schattenspendenden Kastanienbäumen gewandelt. 

Die Lord Byron muss weiter. Ihr Slot an der Schleuse von Bollène ist schon reserviert.

Geruhsam ziehen Auen bevölkert von beschäftigten Vögeln an mir vorbei. In der Ferne erscheint alsbald das ingenieurtechnische Wunderwerk. 

Eine der grössten Schleusen Europas lockt die Passagiere auf das Sonnendeck. 

Das Käpitänsduo leistet Zentimeterarbeit. Dann der Niedergang. Volle 23 Meter sinkt das Schiff. Wir befinden uns in einem fast bedrohlich dunklen Schacht eh das mächtige Tor sich nach 20 Minuten hebt und die Fahrt freigibt. 

Nach soviel Action muss so manche Zuschauerin die Magennerven beruhigen. Der Sturm auf das Kuchenbuffet darf beginnen. Ich habe diesem wirklich ungern aber konsequent die kalte Schulter gezeigt. Gleichwohl beobachte ich nun mit Vergnügen, wie Mitreisende seelig grinsend schwabbelige Heidelbeerquarktorten dekoriert mit opulenten Rahmhauben zusammen mit einem überlauffreudigen Kaffee die Treppe zum Deck hochbalancieren.

Ansonsten sind die Herausforderungen des restlichen Tages überblickbar. Ein bisschen small talk: Woher chuntsch, wiä heissisch, was machsch?

Danach noch Yolanda mit „Liebe Gästé“. Ihre Vorträge machen gluschtig auf Unternehmungen.

Der Renner ist die Dampflockfahrt mit dem Train de l’Ardèche.

Da wird 4 Stunden vorher tüchtig mit Kohle eingeheizt. 

Gross und Klein bekommen glänzige Äugli.

Das Stahlross beginnt zu stampfen und schnauben. Attention: On départ!

Katter, knatter… eine malerische Reise durch eine wilde Schlucht beginnt. 



Herbstliche Bäume, steinerne Viadukte, kalkige Felsen. 

Bitte Loki, bleib nie stehn; es ist so zauberhaft. 

Ich schüttle den Russ aus meiner Mähne.



…. weiter geht die Reise.

À bientôt

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Kommentare: 6
  • #1

    Antje Stiemerling (Donnerstag, 27 Oktober 2022 16:35)

    Liebe Franziska,
    was für wunderbare Bilder deiner Kurzreise in kurze und herzige Kommentare verpackt. Jedes nicht verführerische süße Stückle, zu verspeisen lohnt sich immer in der Summe. Vielleicht auch was für mich.

  • #2

    Rena de la casa (Donnerstag, 27 Oktober 2022 18:46)

    Du unterwegs auf einem Fluss mit Gästen 60+ (!), geruhsam und doch voller Tatendrang, da bin ich gespannt, ob und was du da noch ‚hervorzauberst’ aus deiner ‚Erzählküche‘…

  • #3

    Albert Müller (Donnerstag, 27 Oktober 2022 20:39)

    Wie immer GROSSARTIGE AUFNAHMEN ( u.a. Wunderfoto mit untergehender Sonne in einer Wald-Spiegelung ) und verständliche Sprüche ( u.a. Gedanken zum Kloster Cluny: " Zuerst werde ich (s)üchtig auf den Spuren der Mönche wandeln"...
    Weiter so und herzlicher Dank!

  • #4

    Michel Planson (Freitag, 28 Oktober 2022 00:54)

    Merci Francesca, comme toujours, ce voyage dans le sud de la France si bien raconté et si bien illustré.
    Amicalement
    Michel

  • #5

    Cornelia Bethge (Freitag, 28 Oktober 2022 19:45)

    Was für eine köstliche Beobachtung der Mitreisenden, während sie das Schiff betreten. Herrlich !! Lg

  • #6

    Brun Sylvie (Montag, 31 Oktober 2022 05:06)

    Ja die Gegend der Ardèche ist sehenswert. Wir badeten oft dort oder besichtigten die Bambouserie. Gerne möchte ich wieder einmal in diese Region reisen.