MoPOP

„Hämorrhoiden“!

Verfügte ein Bauwerk über innere Empfindungen, ich glaube, es wäre recht beleidigt, diesen Spitznamen zu erhalten. So muss eben sein Schöpfer, Frank Gehry, alleine daran knabbern, den Geschmack der Seattler um 180 Grad verfehlt zu haben. Da nützt es auch nichts, dass Paul Allen, der Mitbegründer von Microsoft, als finanzierender Götti auftrat. Nun, das weiss ich alles nicht, als ich unvermittelt vor der rötlich-gold verspiegelten Fassade des MoPOP, dem Museum of Pop, stehe.

Das Gebäude ist unverkennbar Gehry. 


Geschwungen, metallisch, fächrig, wenig fassbar.... fast davonfliessend. 

Aber vielleicht wollte der Architekt ja auch etwas Aufmüpfiges entwerfen, um das Thema wiederzuspiegeln, denn die Popgrössen, denen darin gehuldigt wird, waren und sind meist anti-mainstream. 

Im Innern wird es noch dramatischer. Fast kein Tageslicht, im Sombre verwellen sich die Bleche der Dachkonstruktion in wilder Verquickung. Eine Orgie aus Melodien, Beats, Rhythmen abbildend?

Im Zentrum schraubt sich ein Turm aus Gitarren nach oben. Eine Homage an Jimmy Hendrix. Dem berühmten Sohn von Seattle. 

Gitarren werden zwar hier keine verbrannt, seine Fans kommen aber auf die Rechnung. Originalgitarren, Filme, Kostüme bringen den Saitenvirtuosen hautnah zurück. 

Im Nebenraum regnet es Pupur. Prince erwacht.  

Seine extravaganten Kostüme erwecken Erinnerungen an die Disco.

Das Stroboskop streut zirrende Blitze. Der Boden zittert. Jaulend durchhetzt der Sound meine Gehörgänge. Ich erinnere mich: 

Arme hoch. 

Es fallen lila-violette Tropfen,

auf mein Blond, 

rinnen über meine Wimpern, 

meine Augen, 

meine Wangen, 

meinen Mund. 


Der Kopf im Nacken. 


Wet hair.... wet body. 


Arme hoch... 

ach was sind wir frei..... und jung!




Im nächsten Raum werden die Verehrer von Nirvana beglückt, ebenfalls aus dem State Washington stammend. 

Mein Lieblingsort im Museum:

Die Kapelle „The Chapell“.  

Eine riesengrosse Leinwand projeziert einen Mix aus Videos berühmter Künstler, und da ist auch ganz Neues dabei. Mich fasziniert der Neuseeländer Nigel Standford, der seine Musik von Computern spielen lässt und sie dabei auf dem Schlagzeug begleitet. „Automatica“. 

Die Computergreifarme, die sonst in Montagehallen surren, tippen hier in die Tasten der Pianos, zupfen die Saiten der Gitarren. Ganz cooler Beat. 

Etwas in Richtung Jean Michel Jarre und Allan Parsons Project. 

Im Museumsshop wird es schliesslich wieder nostalgisch. Neben T-Shirts diverser Gruppen dürfen auch alte Platten nicht fehlen. Wohl eine Fundgrube für manchen Schallplattenjäger. John Lennon guckt mich durch seine runden Gläser an. 

Ja wo sind denn eigentlich die Beatels? Wenig präsent, dabei haben sie doch das Edgewaterhotel von Seattle vor der Pleite gerettet. Höchste Zeit dem Waterfronthotel, das an eine Sardinenbüchse erinnert, einen Besuch abzustatten.  

Es wurde für die Weltausstellung 1962 errichtet, konnte jedoch in den folgenden Jahren nicht an den Anfangserfolg anknüpfen. Doch 1967 bezogen überraschend die englischen Pilzköpfe dort Quartier.  Das berühmteste Photo zeigt die Jungs, wie sie direkt aus einem  Zimmer die Angeln ins Meer auswerfen. 

Die Lokalität erlebte einen neuen Hipe und die pilgernden Fans wollten natürlich auch fischen. Dies ist heute nicht mehr erlaubt. Die Zimmermädchen beklagten sich, dass sie andauernd Fische aus der Badewanne retten müssten.

Ein letzter Salm landet hingegen auf meinem Teller. Das Restaurant ist herrlich mit echten Baumstämmen, Feuerplatz und Steinwänden ausstaffiert und Bella Vista gibt es auf das Meer, wo unermüdlich die Fähren pendeln.

Mein Koffer ist schon eingecheckt. 3.15 Uhr startet das StarClipper Schnellboot zu neuen Landen.


Ciao Seattle ...

Du hast mich überrascht.

Am Horizont löst sich die Needle im Dunst auf. 


Meine Nase im Wind.


Volle Fahrt voraus.

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Kommentare: 3
  • #1

    Cornelia (Samstag, 27 Juli 2019 10:13)

    Also diesmal Rockmusik. Schön wie du mich immer wieder entführst, mal Architektur, Kultur, Kunst, Streetart, Geschichte, Musik, Natur, Küche, ...
    Lieben Dank

  • #2

    Müller Albert (Samstag, 27 Juli 2019 15:52)

    MoPOP und "Automatica" mögen Geschmacksache sein, trotzdem höchst interessant und für einen Gersauer ein künstlerisches Wunderwerk...

  • #3

    Rena de la casa (Montag, 29 Juli 2019 17:31)

    Crazy und auch überraschend, was diese Stadt alles zu bieten hat!