Soft Opening

Seit ich mich vor einigen Jahren kurz nach der Eröffnung im Chedi Andermatt einquartierte, bin ich Liebhaberin von Hotel Openings geworden. Ich erinnere mich noch belustigt, wie ich durch die teppichleimgeschwängerten Korridore irrte, in der Hoffung, eine Angestellte zu treffen, die mir weiterhelfen könnte, um zu erfahren, wenn dies zufälligerweise geschah, dass auch sie der Sache nicht so ganz sicher war.

Viele potenzielle Gäste meiden deshalb aus Furcht vor Pannen diese ersten Wochen. Sie möchten im Zimmer nicht erleben, dass sich anstatt der Jalousie, die  herunterrollen sollte, sich plötzlich das Gas-Cheminée entzündet. Sie wollen auch keine Nachsicht zeigen, wenn der blutjunge Garçon den Doppelten Espresso anliefert, Zucker und Kaffeerahm liebevoll drapiert und dann den Kaffee vergisst hinzustellen und auf Nimmerwiedersehen verschwindet. Oder wie es in der Sylvesternacht im Chedi passierte, sich der Service so verzögerte, dass auf den Glockenschlag weit und breit kein Champagner herangetragen wurde, sondern das Personal unbeeindruckt das retardierte Mandarinenmousse präsentierte, so dass ich mit Zivilcourrage hinter das Buffet herantreten musste, die bereitstehenden Edelflaschen behändigte und meine Mitgäste mit der sehnsüchtig erwarteten Perlage versorgte.

Nun ist es also wieder einmal soweit. Am Donnerstag vor Weihnachten öffnete das Radisson Reussen Andermatt. Also frisch auf zur Reservierung. 

Was einfach angedacht ist, wird in einigen Sekunden..... ah gut es klingelt schon...... Eine weibliche Computerstimme gibt mir die Gewissheit, richtig gewählt zu haben. Für Zimmerreservationen die 1, Restaurant die 2, Spa & Beauty 3. Also die 1. Es nimmt niemand ab. Dreimal durchlaufe ich den Prozess. Jedes Mal verfängt sich mein Anruf irgendwo im Andromedanebel der potenziellen Empfänger. Der letzte Versuch führt jetzt über 3: Spa Rezeption. Ein freundlicher Herr möchte mich gleich durchkneten, aber ich bevorzuge ein Zimmer. „Da sind Sie hier falsch: Die 1 bitte.“ „Niemand nimmt ab!“ „Ähhhm... ja genau ... heute ist ja Samstag.... der Reservationsdienst hat Samstag/Sonntag geschlossen!!!“ „Seltsam.... das Hotel ist doch jetzt geöffnet? Wollen Sie keine Gäste?“ „Soft Opening, Madame. Wir beginnen zuerst mit wenigen Gästen.“ „Genau so einer möchte ich ja sein.“ Schliesslich ist der Herr Masseur bereit, die Anfrage an die Rezeption weiterzuleiten. In der Hoffnung, dass er wenigstens 60% meiner Buchstabierung des Nachnamens mitbekommen haben möge, sehe ich der Rückbestätigung per Mail entgegen.  Dieses trifft erstaunlich schnell ein. Wenn auch mein Name intonationsmässig neu eher an russische Provenienz erinnert. Das kommt gut. Details lassen sich vor Ort klären. 


Die Anfahrt nach Andermatt ist heute einzigartig. Zucker, Zucker und blauer Himmel. Das Radisson markiert gleich am Dorfeingang Präsenz. Man kann sich vor der riesigen Tiefgarage verschlucken lassen, aber um mit Gepäck vorzufahren, lässt man den Abbieger zur Einstellhalle besser links liegen und gelangt so ganz bequem zur Lobby. 

Die Dame des Empfanges, Angela, ist schon orientiert. Sie lächelt: „Herzlich willkommen. Sie sind fast die Einzigen hier, aber an Sylvester sind alle 180 Zimmer verkauft!....und nur so als kleiner Hinweis: Die Zimmer sind  brandneu... wenn man warmes Wasser möchte, bitte 10 min. laufen lassen. Die Leitungen sind noch nicht in Vollbetrieb.“ 

Ich werfe einen ersten Blick auf die Innenarchitektur. Sehr ansprechend. Hell, Eiche, Gottardgranit und grüner Serpentit mit seinem wilden weissen Aderspiel. Netzartige Leuchtpannels schwingen sich luftig über die zahlreichen Sitzgelegenheiten, die sich im Rund um die zentale Bar und den Feuerkamin gruppieren. 

Punkto Gepäckträger setzt man auf Exotik. „Jemmal“ grinst mich aus einer Höhe von gut 215 Zentimeter herab an. Seine schulterlangen Rastazöpfe glänzen in tiefem Schwarz. „Grüss Gott“, sage ich ihm. „Hey, hallo Mrs Scott.“ „Ja... ich bin nicht Mrs Scott... ich sagte nur Grüss Gott.“ „Alles klar.... Miss Scott!!“ Das bringt mich auf die Idee, das Thema zu wechseln. Woher er denn herkomme? „Dominica... Karibik.... „Seine Zähne blitzen. Jemmal führt mich zum Zimmer mit sichtlichem Stolz anfügend: „Das Zimmer wurde noch nie benutzt.“ Und 4468 ist wirklich ein wunderbares Delux, und die Aussicht so interessant auf die Piazza San Gotthardo, das Herzstück des neu entstehenden Dörfchens aus Ferienhäusern, Residenzwohnungen und Hotel. 


Gleich gegenüber das Haus Alpenrose in warmem Zinnoberrot und schillernden Glas-Erkern. Daneben die 10 stöckige Residenz, ganz in hellen Holz gehalten. Berhard Russi soll hier auch eine Wohnung mit Hotelservice erstanden haben. Das Zimmer ist tipp topp, viel Stoff, geräumig und der Fernseher Weltklasse. 

Und nun unverzüglich in die Räumlichkeit meiner Begierde: Das Schwimmbad. Da ich nicht im Bademantel durch die Rezeption schlärpeln möchte, entlocke ich Angela den Insiderweg, den es doch geben muss. Im ersten Stock über die Verbindungsbrücke ins Haus Residence und da mit dem Lift wieder auf Parterre. Der kurze Bademantelspaziergang wird recht amüsant. Zuerst begegne ich in einer Art Warteraum einem herrlichen Stuhl, den ich gleich „Mops“ taufe.


Weiter in den Residencetrakt, wo ich mich inmitten von Leitern, Bohrern und weiterem Handwerkszeug wiederfinde,  um dann schliesslich die Aufzüge zu entdecken. Einer ist in Betrieb, aber noch vollständig inwendig in Karton eingepackt. Herrlich das Gekritzel der Handwerker. Ja der Mensch, das kommunikative Wesen.

Schliesslich erreiche ich erfolgreich das Spa Welcome Desk. Ich halte sie mit ihrem ebenholzschwarzen Haar und dem kaffebraunen Teint für südländisches Temperament, aber die Lady ist aus Frankfurt am Main. Sie führt mich mit etwas kühlem Charme durch die verwinkelten Gänge. Gepflegte Garderoben. Edle Materialien. Plötzlich stehen wir im Poolraum. Absolut grosse Klasse. Edelstahl und riiiieeesig. 

Ich schätze 30 auf 15 Meter mit Sprudelbank dahinter ein grosszügiges Gym mit schöner Sicht in die Berge. Ich bin begeistert. Frankfurt am Main verlässt mich.... allerdings wie ich Minuten später feststelle, ohne Hinweis auf Badetücher. Mein innenarchitektonisches Auge rät mir, die Eichenholzpaneelen anzutippen... Bingo.... Es sind verkappte Schränke. Badetücher a gogo. Ich habe die ganze Halle für mich allein... königlich dieser Edelstahlschwumm. Auf dem Rückweg durch die diversen Räume begegne ich wieder meiner Spa-Dame. Sie ist nett, aber eine der Sorte, die Dich unterschwellig wissen lässt, wenn Du ihrer Ansicht nach keine Chance auf das Coverbild der Vogue hast. Diese Erkenntnis setzt sie auch gleich um. „Wie wäre es mit einer Gesichtsbehandlung? In ihrem Fall eindeutig Aloe Vera.... die Rötungen!“ Ich fühle mich wie Pink Panter... lehne aber lächelnd ab. Schliesslich war es in der Halle recht warm. Natürlich muss ich unverzüglich einen Spiegel aufsuchen und lege noch eine Schicht Extramatt nach und breche dann völlig entrötet und aloefrei zur Piazza San

Gottardo auf.

Der schiefwipflige Christbaum erinnert mich gerade an die Wettertannen in Carigets Kinderbüchern. Langsam entwickelt sich hier dörflicher Charakter. Die beiden schmucken Appartmenthäuser „Alpenrose“ und „Edelweiss“ tragen viel zum fröhlichen Chachet des Platzes bei. 

Victorinox ist mit einem grosszügigen Geschäft präasent, in dem die Verkäuferin aber noch etwas verloren herumsteht. Nun das wird sich sicher noch ändern. 

Ein munteres Treiben hingegen im Sportgeschäft Imholz. Noël, der mir einen Kaffee serviert, erzählt mir grinsend vom sportlichen Einzug vor 3 Tagen.

Er vermietet Skiausrüstung. Man kann auch auf einem Onlineformular seine Wünsche übermitteln. So gehe die Abwicklung noch schneller ... falls, und er zwinkert.... , nicht bei den Kilos geschummelt wurde. 


Für das Outdoorherz sind Trendfarben wie Tannengrün, Dunkelhimbeer, Smaragd oder Limette angesagt, die farblich assortiert und cool präsentiert werden. Manch prall gefüllte Tragtasche verlässt den Sportausrüster. Strahlende Gesichter, da könnte man doch gleich vis à vis noch einer weiteren Versuchung erliegen. 

Also hineingeschnuppert ins „Biselli“, das mit kreativem Gastrokonzept aufwartet. 

Der angesagte Industrialstil schafft kultige Atmosphäre. Vorne in der Bäckerei mit Loungesesseln, die nahtlos zum Bartresen übergeht. Flankiert von der Showbäckerei und - Küche. 

Gerade liegen gluschtige Guetsli auf dem mehlbestäubten Blech. Ganz hinten das gemütliche Bistro mit bodenständiger Karte. Flammekuchen, Älplermagronen etc. Das Lokal wird ganz sicher zum Renner werden. Gemütlich, für Gross und Klein etwas dabei. 

Meine Magensäfte sind jedenfalls schon tüchtig angekurbelt. Zeit, das Restaurant „Spun“ im Radisson zu testen.

In der Lobby haben sich bereits die ersten Après-Ski-Gäste versammelt. 


Man hört vorwiegend Schwyzertütsch, Hauchdeutsch, ab und zu Englisch und kirchernde Kinder. Patchworkfamilien. Wer gehört zu wem? Hauptsache der Kinder wegen; man trifft sich. Das stilvolle schwedische Ehepaar samt Tochter und Schesenwagen; ein Amy Winehousedouble mit Supervolumenklebewimpern; das Schweizerisch-spanische Paar mit süssen Töchtern im Primarschulalter, von denen der Papi sich für das nächste Jahr wünscht, dass die Zubettgehroutine nur noch 8 Minuten dauern möge. Im Gegenzug er dann eine Geschichte vorlese und am andern Tag eine der Töchter eine Kurzzusammenfassung der Geschichte liefern müsse. Begeisterung sieht anders aus.  Die Kellnerin stellt den Kleinen noch einen Cranberrysaft hin.


Ich habe auf 19.30 reserviert. Ich schlendere an einem weiteren tollen Einzelstuhl vorbei. Ich nenne ihn: „Phantom of the Opera“.


Das Restaurant gefällt durch die Aufteilung in diverse Räume. Hier durfte der Lichtdesigner zur Hochform auffahren. „Schwebende weisse Malven“,  

Galaktika“ oder „ovale Ufos“.

Das Multikulti-Team der Bedienung aus Eritrea, Polen, Germanien und Veltlin sorgt für lockere Stimmung. Die Speisekarte preist recht viel Fisch an; die Auswahl dürfte un peu facettenreicher sein. Das Gebotene überzeugt aber in der Umsetzung. Die mediterranen Tagliolini

und der Lachs mit Tymianschaum: „Wouww Urlaubsgefühle.“ So endet das Mahl mit dem Versprechen im nächsten Jahr wiederzukommen.


Auf dem Weg zum Zimmer bleibe ich vor den inspirierenden Bildern von  Carl W. Röhrig

stehen. 


Am Nachmittag hatte ich den Künstler im Dorf in der „Galerie Art 87“ besucht. Wer würde sich nicht in seinen  Traumwelten verlieren. Er arbeitet Naturmaterialien, wie Wuzeln, Bergkistalle oder sogar Halbopale in die Gemälde ein und versteht es, mit seinem filigranem Pinselstrich, die Übergänge vom Drei- ins Zweidimensionale fast unmerklich zu gestalten. 

Die Bilder laden ein zum Verweilen, Entdecken und mit ihren fröhlichen, üppigen Farben versprühen sie eine herrliche Lebensfreude. Die Dschungelbarke, der Lebensbaum. 

So endet meine Soft-Opening Visite vor  einer „endless Strasse“.... ins 2019?


Ich wünsche allen ein bunt-beschwingtes neues Jahr. 

Bleiben wir neugierig und achtsam.


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Kommentare: 10
  • #1

    Ruth & Werner (Sonntag, 30 Dezember 2018 09:38)

    Danke für den tollen Bericht über deine Eindrücke vom Radisson.
    Auch dir, Felix und Nachwuchs "e guete Rutsch und es guets Nüs".

  • #2

    Maria Knist (Sonntag, 30 Dezember 2018 16:10)

    Auch wir wünschen dir alles Gute im Neuen Jahr. Freue mich auf weitere Entdeckungsreisen zu gehen!
    Felix und euren Kindern ebenso einen guten Rutsch und alles Gute 2019

  • #3

    Hansueli Maerki (Sonntag, 30 Dezember 2018 16:38)

    Das scheint ja wirklich eine Reise wert zu sein. Danke für die grossartigen Berichte im 2018 und Dir, Felix und den Kindern ein glückliches und für uns Blogleser ein ebenso ereignisreiches 2019, alles Gute aus Gstaad

  • #4

    Albert Müller (Sonntag, 30 Dezember 2018 17:52)

    Herrlich dein Bericht, so vielfältig und bis ins Kleinste höchst interessant beschrieben, dass der Gersauer, der eben von der ersten Skitour zurückgekehrt ist, gar nicht erst ins CHEDI reisen muss. Dank besonders für den Hinweis auf die Bäckerzunft mit der Show-Bäckerei...
    Der "aloefreien" Franziska wünsche ich alles Gute und Liebe im Neuen Jahr.

  • #5

    Margrit Staub (Sonntag, 30 Dezember 2018 18:02)

    Hoechst amuesant und anschaulich wie immer. Euch allen ein glueckliches und gesundes 2019

  • #6

    Adrian Jetzer (Dienstag, 01 Januar 2019)

    Danke für den tollen Bericht - super interessant und spannend!
    Ebenfalls ein gesundes, überraschendes und reisefreudiges 2019.
    Beste Grüsse

  • #7

    Anita Gamma (Mittwoch, 02 Januar 2019 13:38)

    Super gute perfekte Beschreibung. Wäre gerne mit dir gekommen, finanzenstatus Null als Stubenfliege, aber die wären da nicht geduldet. Es guets Neus!

  • #8

    Cornelia Elsener (Mittwoch, 02 Januar 2019 14:59)

    Herzliche Neujahrsgrüsse! Freue mich immer wieder aufs Neue auf deine Abenteuer �!

  • #9

    Thea Kalt (Donnerstag, 03 Januar 2019 11:20)

    Dein Bericht ist super interessant und aufschlussreich. Ich freue mich auf weitere Blogs.

  • #10

    Renata della casa (Samstag, 05 Januar 2019 10:02)

    Die Farbigkeit deines letzten 2018 Berichts passt: du tauchst in die weisse Bergwelt ein, Materialien und Farben all over wirken auf dich und deine Worte.
    Ich danke dir, Francesca und auf ein Neues freu ich mich, sehr.