Deal or no Deal

Es ist fürwahr kein Geheimnis, dass meine Kreativität an den Kochtöpfen nicht galaktische Spären erreicht. Um so mehr höre ich gerade jetzt meine Stunde schlagen. Der rauchig-schwere Duft von Weihrauch benebelt meine Sinne. Um die Ecke eines engen Gässchens fächelt die Erinnerung an würzigen Curry; unbekannte Pülverchen leuchten in den Jutesäcken. 


Der Gewürzmarkt von Nizwa versprüht den Odeur des Orients 


und so geschieht es, dass ich neugierig vor Ibrahims Laden verweile. Und er, Ibrahim, hat sich offenbar auf Deutsch sprechende Kundschaft eingestellt.  An der Wand begrüsst mich das Matterhorn, Kirchen aus dem Schwarzwald und ein Foto von Ex- Bundespräsident Wulff, der auch bei Ibrahim einkaufte. 

Meine erste Frage gilt dem Safran. „Schauen Sie, Madame, beste Qualität aus Persien.

Ich habe auch günstigeren.... aber vergleichen Sie selbst!“, erklärt er in fliessender Lingua Germanica  und tatsächlich: Das Geschmackserlebnis ist so different. Er nistelt ein hauchfeines Fädelchen aus der Dose der Premium Qualily... eine Gaumenexplosion... meine Zunge leuchtend gelb... wir kichern beide. Ich nehme die grössere Packung. Ibrahim öffnet den Drehverschluss, füllt noch eine grosszügige Portion dazu. Das motiviert mich zu weiteren Verlockungen.


Rosa Pfeffer, Ingwer und zwei Sorten Curry und ein Fläschchen Rosenwasser. Dass Ibrahim mir noch eine Packung Muskatnuss schenkt, sollte mich eigentlich misstrauisch machen. Herjehhh ... ich habe ganz vergessen zu handeln. Zu spät. Dabei hatte ich bereits mental geübt. Zuerst gibt man vor, sich für etwas anderes zu interssieren.....reagiert beim ersten Angebot kritisch ... bemängelt schliesslich dies und das... läuft weg... wird wieder in den Laden geholt. Wendet sich nun dem Teil der Begierde zu. Verlangt den Preis......tut erschrocken. Dann müsste ich erwähnen, dass ich verheiratet sei und viele Kinder hätte, weshalb die Ware unerschwinglich wäre.... der Verkäufer würde Verständnis zeigen, aber jammern, dass sein Vater ein teures Medikament benötige. So würden wir uns gegenseitig mit immer neuen Geschichten bemitleiden und schliesslich zum finalen Handschlag kommen. ..... würden! Aber eben ich hatte dieses Prozedere vergessen und so wird meine neue Gewürzabteilung nicht nur spicy, sondern auch pricy.


„Das ist doch zum Totlachen“, meint da der nächste potentielle Kaufgegenstand, der mir gerade seine grauflaumigsamtige Schnauze auf die Linse drückt. 

Auf dem Kamelmarkt in Sinaw gehen die Geschäfte hoch. Das neugierige Wüstenschiff zieht seine Lefzen zurück und entblösst seine langen gelblichen Zähne. 

Es lacht mich aus, als wollte es sagen: „Du Anfängerin: Schau, die beiden Beduinen hinter mir; die wissen wie es geht.“ Tatsächlich findet dort ein grosses Palaver statt. Das Tier wird bestastet, kritisch gemustert, während es geduldig mit den langen seidigen Wimpern in die Sonne blinzelt. Die Verhandlungen gestalten sich zäh....  und scheitern. 

Das Trampeltier wird wieder in die Reihe stellt. Ob endgültig oder die Verhandlungen wieder aufgenommen werden? On verra.... und ich vergnüge mich mit den stelzbeinigen Hinteransichten. 


Mehr Handwechsel ist im Innern der offenen Halle zu erwarten. Ein Jüngling zieht gerade einen blondfelligen Geissbock durch die dichtgedrängten Reihen von Marktbesuchern. Gefällt ihm sein neuer Besitzer nicht? Er gebärdet sich störrisch. Das Seil ist aufs Äusserste gespannt. Er rollt die Augen. Ich werde es nicht herausfinden, denn mein Interesse gilt der Tatsache, dass ich zum ersten Mal einheimische Frauen sehe. 


Auf dem Strassenbild waren sie bis jetzt nicht präsent gewesen. Weggesperrt hinter den uneinsichtigen Mauern der Häuser. Heute dürfen sie in Begleitung der Verwandtschaft wieder einmal raus. Sie tragen Gesichtsmasken oder Vollverschleierung. Auch ich habe mich in die Tücher geworfen und anscheinend scheint meine goldgetupfte Kombination mit Smaragd zu gefallen. Die Blicke sind jedenfalls freundlich. Da zupft mich jemand am Ärmel. Ich wende mich und schaue in zwei ebenholzschwarze Augen umrandet mit breitem Kajalliedstrich. Das ist das einzige, was ich von ihr erkenne. Es ist Soreya in Vollverschleierung. Unter ihrer Abeya blitzt ein fuchsiaroter Ärmel mit schwungvollen Ornamenten hervor. 


Trotz Verhüllung, es kommt Kommunikation zustande. Eilig bindet sie das weissköpfige Geisslein, das sie eigentlich an den Käufer bringen sollte, an einer Bank fest. Stellt sich neben mich. Ein Foto solle man machen von uns zweien, lautet die Übersetzung. Na da lasse ich mich nicht zweimal bitten.

Eine Frau abzubilden, hätte ich mich hier nicht getraut. Ein paar Klicks. Sie will das Ergebnis sehen. Sie ist zufrieden. Ihr Daumen geht hoch. Soreya muss wieder auf Position. Viel Glück! Eine kurze Begegnung. Aber ich werde sie nicht vergessen.


Ich lasse mich noch etwas in der bunten Menge treiben. Die Gedanken noch bei ihr und den verschiedenen Welten, die sich hier zwischen Kamelstuten und Ziegenböcken getroffen haben. 


Die Verkaufsstände mit den Datteln lenken mich ab und verlocken. Eine Palme kann 280 Kg Früchte tragen. Wie bei uns die Äpfel. Es gibt unzählige Sorten, die man ungeniert verkosten darf. Zahnstocher liegen überall bereit, damit man eine Süsse aufspiessen kann... oder zwei oder drei. 

Zwischen all dem Getier riecht es mittlerweile etwas streng. Da kommt der Besuch bei Amouage gerade recht. 


Die Kunst der Destillation stammt bekanntlich aus dem benachbarten Persien. De stillare (stilla = der Tropfen); also entropfen.

Der aktuelle Sultan hat die alte Tradition der Parfümherstellung wieder belebt und ein eigenes Parfüm herstellen lassen. Amouage! Der Name: Eine gelungene Homage an das Gefühl der Gefühle aus Französisch „Amour“ und Arabisch „die Welle“. Die Fabrik ist bescheiden; zu sehen gibt es nicht wirklich viel ausser ein paar Edelstahltanks und den Empfangsraum, in dem einige der verwendeten 120

Ingredienzien präsentiert werden. Allen voran die getrockneten Rosenblätter. 


Im April seien die Hügel der Vorgebirge mit dem süsslich opulenten Duft der Rosenfelder erfüllt. Jeden Tag schwärmten die Pflückerinnen aus, um die frisch erblühten Rosenköpfe zu ernten, auf dass  ihnen der sinnlich-orientalische Odeur entlockt werden kann. 

Im Shop werde ich umhüllt von duftiger Wolke. Das „Classic“ im goldenen Flakon, das Signature Parfüm, die erste Schöpfung. Jasmin, Rose und weitere Geheimnisse  betören meine Nase. Die anmutigen Damen des Verkaufs strecken mir immer neue Papierstreifen entgegen. Sandelholznoten verwandeln mich in die  Prinzessin von Sheba. Bergamotte mit Citrus möchten mich zu Cleopatra mutieren. Ich schwebe in duftiger Fanatasie ... Patchouli unterlegt mit fruchtiger Orangenblüte und behaucht von feinster Vanille aus Madagaskar lassen mich eine andere sein. Francesca im Märchenland.... bis ich ich jäh aus meiner Träumerei erwache: Die Preisliste!! 50ml sollten mir 280 € wert sein. Ach ... da habe ich mich sicher getäuscht. Ich gebe den Preis in Rial ein. Umrechnen in Franken bitte. Der Taschenrechner windet sich vor Scham. Jetzt steht bereits eine 3 zuvorderst. Ein bisschen enttäuscht stelle ich die Packung „Classic“ zurück. Jetzt war ich doch so kurz vor dem Sprung zur verführerischen Halbgöttin, aber das ist definitiv nicht mein extatisches Budget. Nun werde ich wohl mit Chanel und Co weiterhin - nach dem Verständnis des Sultans - in den niederen Gefielden der „durftenden Gewöhnlichkeit“ ausharren.

Ich zücke meine Karte schliesslich für eine Amouageseife. Diese wird sorgfältig verpackt. Das Lächeln der arabischen Beauty hat in Anbetracht der verkaufstechnischen Situation von Nektarinen-süss zu Geschäftsmässig-formell gewechselt. Eventuell mit angedeuteter Note von Moschus, die un peu beschwerend in der Atmosphäre liegt. Sie bestäubt das Minitäschchen nun noch ausgerechnet mit „Classic“ und steckt mir zwei Müsterchen zu. Ihre langen Augenwimpern verstecken den Grossteil ihrer Iris.... Darin schwimmt...meine ich es nur?

Eine Mischung aus einer Prise Stolz, entgangener Provision und einigen Tropfen von schnippischer Beleidigtheit.

Ja, es war nur ein small Deal, aber eine neue Chance bietet sich bereits im Souk von Muscat, in der alten Stadt Matrah. 


Paul, mein neuer Führer aus Nigeria, desillusioniert mich allerdings gleich zu Beginn: „Der Markt ist touristisch. Stell Dir vor: Ab Mitte Oktober spülen sie tageweise bis zu 18’000 Kreuzfahrer an Land, die sich durch die Gässchen wälzen. Viele Geschäfte sind in indischer Hand, und dementsprechend kommt die Ware, weitgehend billiger Ramsch, auch von dort.“ Allerdings, traditionelle Omanikleidung werde durchaus angeboten. Das lange Hemdgewand (Dishdasha) für die Herren, an deren Kragen eine Fransenquaste zottelt. Diese werde mehrmals täglich mit Parfüm eingesprüht oder die Kopfbedeckung (Kummah). 


Aber hierfür habe ich auch keine Verwendung. Oder natürlich: „LUBAN!!!“ Was brachten die „Drei Könige“? Weihrauch, Gold und Myrrhe und ersterer ist die Landesspezialität schlechthin. Kein Weihrauch erreicht die Qualität des omanischen. Überall wird er in Säcklein oder Dosen angeboten. Das Harz des Weihrauchbaumes. Die kleinen Bröcklein erinnern an glasigen Kies. 


Ganz hinten in einem klitzekleinen dunklen Laden sitzt der Alte mit dem weissen Turban. Er hockt am Boden. Ein Zahn hinter seinen ledrigen Lippen hat sich schon lang verabschiedet. Er gestikuliert gerade mit zwei jüngeren Männern, wohl Verwandte. Die Drei bemerken mein Interesse, winken.... reinkommen. „Ja... ja wir haben vorzüglichen Luban.... der weisse kann auch als Medizin verwendet werden.“

Einer der Männer spricht recht gut englisch. Jetzt voll im Element, wende ich mein Gelerntes an. All meine Verwandten sind armengenössig und überhaupt sind schwere Zeiten. So nähern wir uns an. Wunderbarer Weihrauch wird mein und das nötige Zubehör inklusive, denn von allein brennen die Zaubersteinchen nicht. Ein Rauchgefäss und ganz wichtig und das sah ich nirgends sonst: Schnellbrennkohle. Eine Art grosse Tabletten aus Kohle, die sich leicht entzünden lassen und unten in das Gefäss gelegt werden.


Meine Verkäufer sind sehr zufrieden mit den Verhandlungen. Der Alte meint: „Damit kannst Du alle bösen Geister aus Deinem Haus vertreiben und jetzt dürfen wir Dich zum Kaffee einladen?“

Schon füllt sich das henkellose mit Gold verzierte Tässchen mit der dampfenden Brühe. Kaffee Arabica, Kardamon und Safran treffen sich hier zu einer würzigen Liaison. Wir plaudern noch einwenig. 



Shukran ... danke.... das war der per perfekte Deal im Morgenland.

Kommentar schreiben

Kommentare: 2
  • #1

    Renata de la casa (Freitag, 09 November 2018 16:47)

    Herrlich, ich erlebe diese farbenprächtige Reise durch den Markt mit! Bin sehr gespannt, ob du echten Safran gekauft hast, ob die Beweihräucherung klappt und die Seife amou(r)age wirkt!

  • #2

    Cornelia (Montag, 26 November 2018 11:18)

    Mmmh, ich glaube die Gewürze zu riechen.
    Danke, fürs Mitnehmen ins Abendland :-)