Iles charmantes

Er hatte wohl vor langer Zeit einmal Rot getragen. Glänzenden Lack. Jetzt blättern rostige Schichten an seinem Blech. Und trotzdem ist er irgendwie ein ein herzliches Symbol. Der Grill von „Perely“. Je suis arriveé aux îles de Seychelles.

Weit ab vom Sterne Spa stehe ich unter einem Takamakabaum. Der alte Laubige hängt seine ausladenden Äste weit bis zur Wasserkannte, wo silberschäumend die Wellen am Zuckersand lecken. 

Perely, der Taxifahrer und Ökoguide hat zum privaten Strandgrilltag mit seiner ganzen Familie geladen. Da bin ich fast etwas aufgeregt. Was kann ich mitbringen. „Du bringst Wein? Ich trinke keinen, aber meine Familienmitglieder nehmen gerne ein Glas.“ Also hopp in die Flippflopps und ins Korallenkleid. 

Perely packt mich in den  ziemlich neuen Toyota. 15 Minuten und jetzt am 1A-Traumplätzchen. 

Ganz entspannt sitzen da schon die 4 Töchter auf Campingstühlen. Fabiana, die Zwillinge Dayra&Daysha, und das Nachzüglerli, Chamela. Fabianas Freund hat schon mal für Ambiente und Regenschutz gesorgt. Zum Freiluft-Essen gehört hier der plastifizierte Dachhimmel. Er wird mit Seilen, und Steinen als Schwerggewichte in den Baum gehängt. 

Die Musik drummt  lässigen Beat. Dazu stellt man das Auto einfach mit Warnblinker auf die Hauptstrasse und öffnet die Tür. Super Sound im Palmenhain. 

Der Hauptakteur, eben der Grill, raucht schon heftig. Trockenes Palmenlaub glüht und agiert als Accelerator. Bald öffnen sich die Vorratsdosen. Stücke von Schwein und Güggeli legen sich auf die Stäbe. Hmm der Duft; es brutzelt. Als Paradestück öffnet Perelys Frau auch das Alupacket. Ohhhh ... einer der nicht mehr schnappt aber so heisst. Ein Red Snapper. 


Abwechlungsweise hantieren Vater und Töchter an der Feuerstelle, während Chamela den Baum als Trapezstange entdeckt hat. 


Wir Ladies schwatzen drauf los. Es geht um Zukunftswünsche, Sehnsucht auf andere Länder.  Was für mich Exotik, ist eben für sie Alltag. Man sei hier zufrieden. Habe gute Jobs bei Creol-Tour, bei Seychelles-Air, auf einer Bank... aber die Verhältnisse seien klein und die Regierung manchmal etwas sehr links.....Tax...Tax!!! Aber wir wissen schon: „Seychelles is paradies ...und wir müssen mit der weiteren Entwicklung vorsichtig sein. Umwelt, Tourismus. Die Regierung setzt auf 100’000 neue LED Strassenlampen, Glaspfand wird nächstens eingeführt. Der Flughafen um das Doppelte vergrössert, was aber auch zu viel sein könnte.“ 

Die Politik taucht in Perelys Lockruf unter. „Ready“. 

Der flache Granitfels mutiert flux zum Beilagenbuffet. Chinesische Nudeln, Curryreis, Gemüse. Himmlisch. „Probier meinen Salat; nimm den grossen Pouletschenkel!“ „Aber oha... lätz!“ Eine Böe zerfegt den gut gefüllten Kartonteller, der auf meinen Knien balancierte. Gelächter, zu Recht. Ich Anfängerin. Also ein zweiter Gang. Der schnappige Rote ist lind und würzig. Die Schweine Stückchen knuspig. 


Ein rundum gelungener Nachmittag. Perely und ich sind gerade am „Softbusinessing“. Wir stellen Ideen für Touren zusammen. Klassische Rundfahrten für Neuankömmlinge, geführte Wanderungen, Ökospaziergänge mit Focus auf Pflanzen, Vögel.... je nach Saison: Schildkröteneiablage, Walbeobachtung. Und wie wir da so visionieren: Die Fütür ist rosa und der Himmel plötzlich wolkenschwarz. 

Der Wind schnappt sich schon die ersten Artikel. Plastikbecher begeben sich auf wirblige Flugreise, Servietten flattern zwischen die Granitfelsen, Haare zausen, die Roséflasche kippt, die Regenplane bläht sich auf, der betagte Takamaka ächzt. Unkoordiniert aber blitzig schnell greift jeder, wonach er/sie habhaft wird. Die Taschen füllen sich. Nach 10 Minuten ist unser Platz geräumt. Ab ins Auto. Achtung Gegenverkehr... von Links!! Geschafft. Grosse Tropfen platzen auf die Windschutzscheibe. Perely lacht: „Hu we did it!“ „Ja, perfekt, aber ist das nur ein kurzer Sturm oder eine Wettertendenz? Ich habe einen Bootsausflug gebucht.“ „No worries“, grinst Perely. „Sie legen nur ab, wenn es safe ist!“

Der andere Morgen präsentiert sich diskussionslos blau! Das Ausflugschifflein, ein Glasbodenboot, wartet schon früh in Viktoria auf die muntere Gästeschar. 

Derweil die,

leider unbeschäftigte, Dorfjugend das Einstiegstsprozedere mit lauthalsigen Sprüchen begleitet, gibt der wuschelköpfige „Brandon“ letzte Anweisungen.

„Wir werden den Hafen verlassen und damit in leicht unruhigeres Gewässer geraten. Bitte während der Fahrt möglichst an Ort sitzen bleiben. Wasser und Cola hat es in der Kühltasche. Der erste Stopp wird auf dem Riff sein, wo wir Fische beobachten. Später Anlandung an der Schatzinsel „Moyenne“, danach  Schnocheln oder chillen an Board und zuletzt Barbercue auf Cerf Island.“

An den ersten Programmpunkt stelle ich nur moderate Erwartungen. Obwohl die Fahrt mitten durch das Naturschutzreservat St. Anne führt: Der Schutz kam etwas spät. Ab und zu paddelt ein Zebrafischlein am Fenster vorbei. Bunte Korrallen? Praktisch nichts. Brandon hat aber noch einen Joker in der Tasche. Er klaubt grosse Weissbrotschnitten aus einer Plastiktüte. Fischfüttern. Wir werfen Möcklein.Wie wenn sie nur darauf gewartet hätten, stürzt sich jetzt wie aus den Nichts ein Schwarm von Schuppigen auf das Futter. Es schwaddert, schäumt, spritzt, glänzt silbrig...und nach Sekunden: alles Brot weg!!! Ein lustiges Schauspiel aber auch zum Nachdenken. Diese Welt war einmal zauberbunt. Deshalb das Foto in Schwarz-Weiss. 

Aber wie könnte ich beim Anblick von „la Moyenne“ in Farblosigkeit verharren? Ein grünes Juwel im Türkismeer. Die Wedel der Palmen fächeln mich verheissungsvoll an den Mini-Strand. 

Piraten sollen einst hier gehaust haben, Ihre Gräber sind noch da. 

Und ich erinnere mich: „Brigit“, die mich im Internetcafé im

Mai bedient hatte, flüstere mir damals mit weit aufgerissenen Augen  zu: „Es gibt einen Geist auf der Insel: Sie ist die Seele einer Francesca!“ Ich schmunzle.... ja eine Francesca-Anima auf einem solchen Tropeneiland. Soweit ganz sympathisch und auch als mutierte Geistin auszuhalten! 

Am Champagnerstrand schaukelt derweil unser Schiff. Brandon hat die Schnochelausrüstungen parat gemacht. Jetzt heisst es platsch ins Nass 

oder auf dem Sonnendeck dösen. Zusammen mit einer Familie aus Tanzania entscheide ich mich für Letzteres. Die Töchter, alles „Black Beauties“

sorgen mit ihrer Fröhlichkeit für ansteckende Unbeschwertheit. 

Später auf la Cerf bin ich schon

Vertraute. Den Dachhimmel kenn ich schon. Hier ist er rot und gross.... 


die rostigen Grills... hallo Grill....wieder alt und blättrig...der Red Snapper im Brutzelmodus, angespornt von den Grilleuren. 

Das Buffet, natürlich für grössere Gruppen angedacht. Mir gefallen die glänzenden Keramiktöpfe in denen das Creolcurry blubbert. 

Ein lässiger Strandschmaus bahnt sich an. Auf der Rückfahrt lasse ich Francescas Seele baumeln. Von welcher auch immer.  Ein schwarzes Segel kreuzt im Wind, der die Wellen zu spitzigen Wellenbergen auffrischt. Meine Gedanken fliegen mit..... Francescas Geist?“

Geistiges habe ich auf jeden Fall im Gepäck. Hatte ich nicht Herrn Ferrari, dem Direktor des renommierten MAIA Hotels auf Mahé versprochen, bei meiner Rückkehr, eine Flasche Zuger Etter Kirsch mitzubringen?

(siehe Artikel: „Hideaway“).

„Nur 10 Minuten“, so dachte ich. Als Danke für die letzte Führung und als mögliche Anregung zur Ergänzung der Spirituosenkarte. Nun treffen wir uns wieder in der Willkommenscabana.... und Herr Lionel Ferrari hat Zeit für mich. Ganz unerwartet und sehr erfreut, darf ich in der Bar Platz nehmen. 

Wenn man Herr Lionel Ferrari begegnet, ist das ein Privileg. Die Sorte Mensch mit den ganz perfekten Manieren, der interessierten Präsenz, (ohne seine Person in den Vordergrund zu schieben), der gewählten Sprache. So habe ich mir immer einen Diplomaten vorgestellt. Kein Wunder ist er der bestmögliche Gastgeber für dieses Hideaway, wo sich in höchster Diskretion „die Welt“ trifft. Er freut sich sehr über das Präsent der Familie Etter....“Wissen Sie.... und er blättert begeistert in der Broschüre, die ich ihm mitgebracht habe. Meine Kundschaft sucht immer das Besondere..... am liebsten mit Geschichte.... Herz, Passion. Mit einer gängigen Champagnermarke kann ich zum Beispiel schwer landen. Das ist Alltag an all den Parties und Empfängen, an denen meine  Klientel jahrein, jahraus teilnimmt. Das ist mein Stichwort. „Wie Sie aus dem Prospekt ersehen,  ist gerade Kirsch nicht gleich Kirsch.

Von ganz speziellen Sorten, wie Vowi-Kirsch oder bestimmten Jahrgängen gibt es nur ganz wenige Flaschen. Ein gediegenes Geschenk übrigens. Kirsch wird ja nie schlecht, deshalb sind auch sehr alte Jahrgänge käuflich. Das Wort „liquid sein“ stammt übrigens aus frühen Zeiten. Die Bauern holten in schlechten Zeiten die Korbflaschen vom Tenn und verkauften den Kirsch und machten ihn damit zu Geld. Herr Ferrari hat inzwischen das  edel glänzende Goldmäntelchen an der Flasche „Vieille“ etwas freigelegt. Den Zapfen sachte gezogen... ein leides Plopp. Seine Nase erfährt neugierig das Aroma das entweicht. „Ahhh... Mandel.... Mandel!“ Er lächelt.

Für meine Sinne hat er auch noch eine Überraschung bereit. Ein Besuch in einer der Gästevillas. Ein Traum....!!

Merci,Herr Ferrari, für diesen Nachmittag.

Punkto Hotels ist meine Curieusité natürlich noch lange nicht gestillt. Habe ich doch erfahren, dass auf der Insel La Digue im Februar  eine neue kleine Perle eröffnet hat. Le Nautic Waterfront. 


Die Insel mit dem weltberühmten Strand, „Source d‘Argent“ (siehe Artikel „Zuckersand und Silberquell“) ist eher auf Tagestourismus und Bed & Breakfest eingestellt. Das bisherige Platzhirschotel: „La Domaine des Orangerie“ überstand meinen Besuch nur mit dezenter Bewertung (im Vergleich zum stolzen Nächtigungspreis). Nicht einmal das Restaurant könnte ich empfehlen.  

Also auf zu den „Neuen“. Und das sind Natascha und Stuart. Kaum geöffnet und schon ein Renner. Auch der Daily Telegraph war schon da. Jetzt wird es wohl noch schwieriger, eines der begehrten 7 Zimmer zu ergattern. 

Natascha, die Einheimische, mit Weizenblondhaar, als wäre sie gerade dem schwedischen Midsommernachtsfest entsprungen, managt hier mit klarerem Konzept. Stuart führt die Bar und regelt australisch lässig und zuverlässig, was anfällt und gewünscht wird.


Das kleine Openairrestaurant direkt an der Wasserkannte verwöhnt übrigens aufs Beste. Kurt Rütimann im ehemaligen Hecht in Zug, wird mit seinen „Eglifilets Grand Marnier“ immer auf Platz 1 meiner Favoritenliste für Poisson bleiben, aber dieser Fisch mit Banane gefüllt, holt sich den Auslandpreis. 

Nach solch Völlnerei bietet sich der nordwärtsführende Strandweg an. 

Per Rad oder zu Fuss vorbei an herrlichen Stränden. Im Hintergrund die Bergspitzen von Praslin.

Ich verliere mich gerade ein wenig in den Wellen. Da erblicke ich plötzlich eine halbe Kokosnussschale vor mir mit Fruchtstückchen darin. Ich blicke in ein fröhliches Gesicht, die Zähne blitzen: „For ... you!!“ Davidli schüttelt seine Rastas: „Meine Easy Bar ist da vorne. Komm doch vorbei. Alles frisch. 

Nach ausgiebigem Strandgeplägere meldet sich tatsächlich mein Saftverlangen. Davidli rät mir zu einem Tropencocktail mit oder ohne Takamakarum. Ich bleibe bei „virgin“ und beobachte nun vergnügt die Herstellung, die gute 20 Minuten in Anspruch nehmen  wird. 

Die Kokosnuss wird enthauptet. Das Wasser aufgefangen und mit dem Fruchtfleisch vermengt. Der Mixer neueren Geburtsdatums singt sich in die oberen Etagen des Zeltes. Nun wird mit aller Zeit der Welt, die Mitxur durch ein sehr feines Nylonsieb gedrückt. Es entsteht nussigfrische Kokosmilch. Diese träufelt sich wieder in den Rührer. 


Nun folgt fulminates Geschipsel: Sonnengoldiges Ananasfleisch, Babybanane, die Kerne der Passionsfrucht tropfen mit ihren schwarz-olivgrünen Kernen; gekonnt wird eine Limette zerdrückt bis sie ihren hellen Saft entlässt. Eiswürfel dazu und volltourig bis die obersten 3 Zentimeter schäumen. 


Davidli gibt mir zum Probieren. „Ist es recht so?“ „Formidable!“ Nun alles zurück in die Hülle der Nuss der Nüsse.... eine Hibiskusblüte drauf. 

Davidli stahlt. „Here... Madame!“ Ich geniesse die fruchtige Süsse... 


und trete zum verblichenen Takamaka, der hier wie für immer liegt. Durch die Äste hindurch..... das Türkis. Der Cocktail rinnt, erfrischt. Die Zeit steht still.


Ja, Türkis.... ich werde Dich vermissen. 


Ja... ihr Menschen hier...

Ich möchte Euch bald wieder sehen.


Ich bin auf den „îles charmantes“ angekommen.


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Kommentare: 2
  • #1

    Georges (Donnerstag, 19 Juli 2018 20:43)

    Es mich neugierig, die Menschen und die Natur vor Ort kennen zu lernen. Ein toller Bericht.

  • #2

    Elisabeth Huber (Mittwoch, 25 Juli 2018 18:28)

    Liebe Franziska
    Beim Lesen Deines hoch interessanten Reiseberichtes und dem Betrachten der stimmigen Fotos durfte ich Dich in diese Traumwelt begleiten. Grossartig! Ich geniesse es immer wieder, Deine lebhaften Schilderungen zu lesen. Danke, dass Du mich so ein bisschen mit auf Deine Entdeckungsreisen nimmst.
    Elisabeth Huber, Stadtführerin-Kollegin