Tram & Dine

Alleine auswärts essen ist nicht gerade meine Spezialdisziplin. Umsomehr schlägt mein Herz einen Katapult bei der Entdeckung dieser Homepage. www.restauranttram.nl

Ein Vintage-Tram, das als Restaurant durch Rotterdam kurvt. Freudig und unverzüglich zücke ich mein modestes Holländisch, denn Übersetzung ist nicht vorgesehen. Immer freitagabends: Morgen ist Freitag!“ Aber nun sackt mein Puls ab: „Reservation mindestens eine Woche im voraus.“

Nicht aufgeben. Ich schreibe eine Mail und: „Das Glück gehört der Schreibenden.“ Ich bekomme Antwort: Ein Platz sei für mich blockiert. „Cu tomorrow!!“.

Und jetzt bin ich da an der Station Willelmsplain und harre der Dinge. Eine Gruppe von ca.15 Leuten ist auch schon in Warteposition; alle in festlicher Kluft. „Goldenes Hochzeit von Mami und Papi“, klärt mich eine junge Dame in adrettem Uniblau mit 90 cm Blondlocken und Beinen bis zum Boden auf und engagiert mich gleich als postmatrimoniale Fotografin. Die Rotterdamer Festgemeine bestrahlt mich enthusiastisch und der Check der Bilder verläuft befriedigend: Daumen hoch. 

Die Jubilare können gerade noch einen Blick ins Händy werfen, da quitscht und kratzt es in all unser Ohren. Oltimer in Anfahrt. 50-er Jahre, ockergelb. Einfach cooool!!

Wir können es kaum erwarten zuzusteigen. Ich bin sehr angenehm überrascht. Zweier- und Vierertische, sorgsam mit Stoff eingedeckt. 

Ein Glas Sprudelwein steht schon parat. Ida ist schon über mich orientiert und weist mir ein Tischchen weit vorne zu. Mit türkisem Lampenschirm,  nahe beim Führerstand. Perfetto! Sie muss mächtig Gas geben. Die 35 Plätze sind fast alle gebucht und die Wege sind lang. Im Heck befindet sich die Kombüse, und von dort hat sie vorest einmal alle Antipastiteller durchzubalancieren, denn unsere Vintage-Gastro-Kutsche zuckelt und rumpelt sich durch die Schienen.  

Der Chauffeur Johannes hat aber alles im Griff. Eine höchst abwechslungsreiche Stadtrundfahrt beginnt. 

So macht ein Einzelessen auch Spass. 

Vorbei am alten Hafen mit dem Feuerwehrboot, 

zu den Kubushäusern, 

weitere Architekturtrouvaillen 

passierend.

Auf der Höhe des Euromastes dampft mir eine wärmende Tomatensuppe entgegen. Weiter bummeln wir durch die Aussenquartiere bis wir in der Nähe des Restaurants BRAZZO zum Stillstand kommen. 

Plötzliche Hektik. Im Laufschritt eilen diverse Köche mit grossen Wärmebehältern heran. Der Hauptgang. Dieser outet sich als hervorragender Braten, der offenbar stundenlang in einer Rotweinsauce dahingesiedert hat, auf dass nun das Fleisch in faserigen Flocken von der Gabel fällt. Wirklich fein. 

Etwas die Beine vertreten wäre nun in Anbetracht der engen Tischchen ganz willkommen und  siehe da; der Zugsbegleiter steigt aus, stellt mit einen langen Eisenstab die Weiche um, und wir kommen nach wenigen Metern vor einem grünen Eisentor zu stehen. „Sesam öffne Dich.“ Wir fahren hinein. Welche Überraschung: Das alte Tramdepot mit vielen alten Kompositionen. Wir dürfen aussteigen und auf Erkundungstour gehen. Jeder Retrofan darf hier schwelgen. 

Derweil ist Ida mit einem Tablett Panna Cotta unterwegs. Als ich einsteige wartet das Dessert schon süss lockend  an meinem Plätzchen. 


Inzwischen hat die Sonne sich verabschiedet, die Lichter flackern auf. Die Fahrt wird nun zur Nachtour, die wieder neue Ansichten eröffnet. 


Nach Kaffe und Guezli fühle ich mich bettschwer aber erlebnisfroh glücklich. Ida und Johannes verabschieden mich noch mit einem herzlichen Händedruck. 


Danke für den tollen Abend. 

Der nächste Tag hatte ja,wie beschrieben, im Zeichen der Blume gestanden. Ebenfalls im Internet war ich curieuse auf ein bestimmtes Restaurant geworden. www.indekeukenvanfloris.nl. Hohes Rating. Zumindest scheint der Koch bestimmte Erwartungen an seine Gäste zu stellen. Pünktliches Eintreffen (alle beginnen gemeinsam), am Wochenende nur Gruppen von mindestens 8 Personen welcome und der Gast möge experimentell interessiert sein, Überraschungen lieben und ein unkomlizierter Esser sein. Ausser die Gruppengrösse kann ich ja alles bieten und so deponiere ich mein Anliegen bei der Rezeption  meines Hotels. Wieder Fortuna im Spiel. Floris schenkt mir einen Tisch.

Floris, das ist der Koch, ein Mix von Jamie Oliver (jung und lässig) und einem Sterneakrobat (fokussiert und konzentriert). 

Floris in Aktion
Floris in Aktion

Ich schaffe es nach dem Tulpenwahn gerade noch rechtzeitig in das Aussenquartier.

„In de keuken van floris“ charmiert weder mit Lage noch mit Interieur. Es gleicht eher einem Werkraum (ähnlich dem Manesse in Zürich) an der Hinterseite eines unscheinbaren Hauses. Aussicht: Hauptstasse und Bäume. Im Innern des nicht sehr grossen Raumes steht quadratisch angeordnet ein Chromstahlkubus: Die Küche oder ich meine eher „Lieu de préparation“. Zuerst werde ich aber persönlich begrüsst und zwar von einem sehr höflichen, sehr grossgewachsenen Jüngling. Ich nenne ihn im Stillen: „Adonis“. Lockig das Haar, feingliedrig, als wäre er gerade einer griechischen Akropolis entsprungen und da er leicht divin wirkt, kann er mich für die Weinbegleitung des Menues begeistern.

Schon als Ouvertüre sind die drei verschiedene Perlages eine Vorfreude.

Ich schaue gebannt, was sich in der Keucken tut. Floris und drei Gehilfen haben 30 Schälchen auf dem Küchenblock verteilt und beginnen diese für den ersten Gang zu bestücken. Ja man kann dem so sagen. Denn gekocht wird hier eigentlich nicht, sondern es wird. Vorpräpariertes kunstvoll arragiert und das geht bei jedem der 9 Gänge auf diese Weise.


Schon die Geräte, unter derer Zuhilfenahme dies geschieht sind spannend. Jeder Mann trägt eine Schürze mit Lederriemen und schweren Eisenschnallen und Eingriffslaschen für allerhand Scheren und Pinzetten. 

Ich bin fasziniert. Dieser optische Gegensatz. Die Jungs könnten samt und sonders aus dem Hantelkeller stammen. Ihre Arme sehnenbesträngt, mit ausufernden Tatoos bestückt...und diese Burschen spitzeln aus Tupperwareschalen minutiös kleinste Kressehälmchen und Blüten heraus um sie milimetergenau auf dem Teller zu platzieren. Sie greifen zu Pipetten mit geheimnisvollen Ingredienzien und lassen glasigglänzende Tröpfen an genau der von Floris vordefinierten Stelle fallen. Am Schluss steht das Kunstwerk aus essbaren Miniatürchen und dies in 30 facher Ausführung. 

Floris und Adonis beglücken die Gäste und Ersterer hält einen Kurzvortrag über das Entrée. Eine Hommage an den Randen in Begleitung von Birne und ... weiterem. Auf jeden Fall spannend. 

Floris legt uns Gästen ans Herz, die Gerichte jeweils zuerst mit der Nase zu erkunden. Auch da lege er sehr viel Wert auf die Geruchssymphonie.

Es mundet himmlisch. 

So werkelt sich das Team für uns Verwöhnte durch 9 Präsentationen. Die Weine sind speziell, kleine feine Weingüter. Zum Beispiel der spanische „El Camino“ (der Weg), der von den Abhängen von Santiago de Compostela stammt oder das Bier „Petrus“, das bei einem Gang die Rolle des Weines übernimmt. 

Immer wieder erhalte ich Besuch von einem der Jungköche und ich erhalte Erklärungen und zum Schluss die Frage, ob ich noch etwas zu ergänzen hätte.“Durchaus, wo sind denn hier die 8-köpfigen Gruppen? So steht es doch im Internet. Ich sehe viele kleine Tische. Der Fragende schaut mich un peu konsterniert an, startet die englische Version seiner Restauranthomepage auf und liest ungläubig. „Tatsächlich, das wollten wir aber gar nicht so ausdrücken! Vielen Dank! Das werden wir ändern. Natürlich sind Gruppen jeder Grösse willkommen.“

So das wäre geklärt. 

Als Fazit bleibt ein Bouquet aus creativster Kulinarik und eine tolle Erinnerung. 

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