Insel der Sehnsucht

Kennst Du diese Liste der Begehrlichkeiten?

Du sammelst Modellautos? Parfümflakons? Sternekochgourmetabende oder Reiseerlebnisse?

Man hat immer Wünsche und Ziele, und obwohl man sich ab und zu etwas erfüllen kann... die Liste verlängert sich selbsttätig mit neuen Gelüsten.

Bei mir ist es Helgoland!!

Die einzige deutsche Hochseeinsel...

Nicht ihr Touristenalltag, sondern ihre Geschichte und das, was bleibt, wenn die rund 1000 Tagesbesucher wieder abgezogen sind. 

Schiff oder Flugzeug, das ist hier die Frage, und ich will natürlich beides.

Ausserhalb von Cux liegt der Flughafen Nordholz, wo ich todesmutig einen Flughüpfer nach dem Eiland gebucht habe. 

Die Check-In-Halle gibt sich Mini aber professionell. Ein weiterer Härtetest für meine Landjäger steht an. Sie verhalten sich, nicht ganz überraschend, völlig unauffällig, und so dürfen auch sie mit in die Lüfte.

Ich wage derweil schon einmal einen schüchternen Blick auf das Fluggerät und die Bäume, die schon vom Winde arg zerweddelt werden. 8 Passagiere sind möglich. Der Pilot, der Co-Pilot, der nie anwesend ist, und 6 Bezahler mit max. je 10 kg Gepäck. Bevor ich in die Büxe reinkriechen darf, muss Jan, der grossgewachsene Pilotier, den Raum noch optimal füllen. Einige Meter aufgerollte Sanitärschläuche werden noch zwischen die Sitze gequetscht. Ein Paket dort und ein Karton da.


So ich bin drinn.... die Blechkiste wird nochmals durchgecheckt... scheint zu laufen... "ja sollte noch machbar sein", lässt Jan, in das stürmische Gewölk äugend,  verlauten. "Übrigens, die Schwimmwesten sind unter dem Sitz!"

Ich atme nochmals fatalistisch durch. "Jetzt nur kein Selbstmitleid, Du hast das so gebucht, und Ingwer habe ich gegen Luftschwankungen auch präventiv vertilgt."

Die Propeller dehen auf... Jan drückt auf die Tube... eh voilà! Mein Puls 180!


Unter mir das Wattenmeer. Feuchte Sandbilder... dann Wolken... Wellen.

Knappe 15 min und die Nebeninsel (namens Düne) von Helgoland  ist zwischen den zerrissenen Nebelfetzen zu erkennen. Der Flug ist ruhig und Jan setzt routiniert auf. Ha, das war ein kurzer "Chut". 

Mit Jan
Mit Jan

Kaum im Abfertigungsbereich angekommen,  holt mich das Inselleben ein. "Tja leider, liebe Gäste, ... das Inseltaxi zur Fähre nach Helgoland ist bis auf Weiteres ausser Betrieb. Es gibt hier einen netten Fussweg, ein Kilometer, Gepäckservice nicht vorhanden." 

Das wäre easy, aber just in diesem Moment gibt das Tief "Holger" seine Hauptvorstellung. 

Den ersten Fehler, den man jetzt als Neoinsulaner begehen kann ist,  einen Schirm hervorzukramen. Unter heimlichem Schmunzeln der Einheimischen endet er in Sekunden als Gestänge mit Stofflumpen. Ja ja ... die Städter! "Pellerine" hiesse das Zauberwort. Nur so könnte man den waagrecht gefahrenen Regenattacken halbwegs trocken trotzen. Ohne diese aber wird mein 1000 Meter-Lauf très très mouillé. Und der Wind sorgt dafür, dass sich die Jackenärmel in klebriger Kühle auf meine Haut legen. Endlich an der Mole.... genau jetzt verschwindet das Heck der Fähre mit stramm wehender Helgoländerflagge hinter der Quaimauer. Soeben abgefahren.

WARTEN und Schauvitrinen studieren, wo man erfährt, dass Möven bei Busse von 500€ nicht gefüttert werden dürfen. Nach einer Viertelstunde trudeln auch die Insider ein, die einseits den Fahrplan der Fähre kennen und andererseits mit Regenhose, Jacke und Hut ausstaffiert, einen zumindest mitleidigen Blick für mich übrig haben.

Die Überfahrt ist kurz und heftig. Das wellt halt hier schon gell. Im Terminal angekommen.... nochmals die freudige Nachricht, dass ein weiterer Wasserspaziergang zum Hotel anstehe. Kein Problem. Eh schon durch und durch bewässert. Die letzte Sturmetappe wird immerhin mit einem freudlichen Empfang im Hotel und einer tollen Panoramasuite belohnt.

Waterkant! Erste Reihe! Und trocken.

Draussen tobt sich "Holger" noch aus. 

Mich zieht es in die Gänge des Hotels Riekmers. Und ich lerne. Die Helgoländer sind tief von ihrer emotionalen Inselgeschichte geprägt. Hier in der Herberge aber auch in jedem Restaurant, das ich besuchte. Die Wände sind voll mit alten Fotos, vergilbten Zeitungsberichten. Noch praktisch  undokumentiert

bleibt die Tatsache,  dass die Insel im Jahre 1721 in 2 Teile zerbrach. Es entstand die Nebeninsel "Düne". Im Gegensatz zur schroffen und klippigen Hauptinsel ist dieser Teil flach mit Badestränden... und heute befindet sich auch die Rollbahn des Flughafens 

auf "Düne".

Weitgehend unbekannt ebenfalls: Die Insel war britisch!

Ihre Flagge enthielt denn auch ursprünglich den Union Jack.

Rot, Grün, Weiss: In Plattdeutsch: Die Bedeutung der Tricolore: 


Die Engländer so nahe der Elbmündung zu wissen,  missfiel dem deutschen Kaiser Wilhelm dermassen, dass er sich auf einen einzigartigen und unausgewogenen Vertrag einliess. Die deutschen Kolonien in Ostafrika plus die Insel Zansibar forderten die Briten als Brautpreis. Und so kam es zu diesem denkwürdigen Tausch, der vielfach als der "Helgoland-Zansibar-Vertrag" bezeichnet wird und der fälschlicherweise den Eindruck erweckt, die Inseln seien einfach  getauscht worden. Effektiv mussten die Deutschen weit grössere Gebiete einwerfen.

Von nun an wurden die naturverbundenen Insulaner, die sich

 "Hallunder" nennen, zum Spielball der Militärstrategen. Die Felsige wurde durchlöchert und vertunnelt... eine Festung. Marinehafen. Ein so sensibles Ziel, dass 1914 alle Bewohner die Heimat verlassen mussten. Nach dem 1. Weltkrieg hofften die Rückkehrer auf ein neues Leben. Der 2. Weltkrieg zerstörte ihre Hoffnungen. Unter dem Bombenhagel der Allierten hielten sie durch. Die Engländer hatten jedoch einen noch explosiveren Plan. Die Auslöschung des Eilands. Sie brachten nach Kriegsende 6000 Tonnen Sprengstoff an Land. Die Einheimischen hatten nur kurz Zeit zur kompletten Evakuation.

Die grösste nichtatomare Sprengung der Geschichte wurde ausgelöst. 

Und verfehlte ihr Ziel. 

Helgoland, die Stolze, ging  nicht unter; aber in die 

Herzen der Menschen riss  die Detonation schwelende Wunden. Du spürst es, wenn Du mit ihnen sprichst. "Ja....seit 1952 sind wir zurück. Zweimal die Heimat verloren... ". In den Augenwinkeln...Du ahnst das feine Glitzern...

Vielleicht musste gerade hier einer der bekanntesten Kinderbuchautoren Deutschlands anlanden und leben. Die Welt mit Kinderaugen sehen... eine leise Unbeschwertheit... Sanfter Balsam für geschundene Seelen.


James Krüss:

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Kommentare: 1
  • #1

    Peter und Martha (Sonntag, 03 September 2017 11:24)

    Wir waren auch da!! Auf Helgoland!! Genau an diesem Tag! Hast Du uns nicht gesehen, auf der MS EUROPA 2 - leider hatten wir die Suite auf der Bachbordseite! Wir sind zur Waffelzeit so rd. 16/17:00 Uhr von den Norwegischen Fjorden kommend um die lange Anna gekurft Richtung Hamburg Altona wo wir gegen 21:30 Uhr eintrafen. Am 24. gings dann nach dem Besuch des Michels in Hamburg wieder zurück nach Zug!!